Júníus Meyvant – Guru
Moderne Popmusik mit Retro-Präsentation, so oder so ähnlich lässt sich der Sound von Júníus Meyvant zusammenfassen. Der 1982 als Unnar Gisli Sigmundsson geborene Isländer nennt seine Musik „Freaky Folk Pop“ und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Seine beiden bisherigen Alben waren wunderbar aus der Zeit gefallen, reich an dichten Texturen und warmen, wohligen Melodien. Und doch bezeichnet er „Guru“ als sein persönlichstes Werk – im Heimstudio entstanden und nur mit kleiner Band-Besetzung eingespielt. Hält die Reduktion Einzug auf den Vestmannaeyjar?
Gelegentlich mag das schon so sein. Das vergleichsweise kurze, kompakte „High Heels“ bewegt sich in folkigen, locker-flockigen Gefilden und braucht keine große Instrumentierung. Dezente Country-Einflüsse und Meyvants mitreißender Gesang reichen vollkommen aus. Auch der eröffnende Titelsong „Guru“ verlangt keine große Übertreibung, ist dabei aber keinesfalls nackt. Viele Details, kurze instrumentale Einschübe und die nahezu obligatorischen Streicher machen aus dem anfangs geradlinigen Popsong ein nahezu extravagantes Happening mit Psychedelia und Britpop als weitere Zutaten. Im Gewirr der Stimmen bleibt die fantastische Melodie dennoch erhalten.
Überhaupt liebt der Isländer weiterhin das Langformat und tobt sich in diesem so richtig aus. Sein „Rise Up“ kommt Singer/Songwriter-Idealen so nahe wie nie, rückt den starken Gesang in den Mittelpunkt und umspült diesen mit leichter Instrumentierung. Hingegen bewegt sich „Undravera“ in die entgegengesetzte Richtung, spielt mit Soul und Film-Soundtrack, mit monumentalen Chören und stilvoller Übertreibung. Irgendwo zwischen den Stühlen erinnert „Payload“ an Joe Cocker, bloß ohne Reibeisen. Soul, Pop und Rock schimmern durch semi-balladeske Ideen und gehen ans Herz.
Hier alleine von Reduktion zu sprechen, wäre falsch. Zwar entschlackt Júníus Meyvant seinen Sound immer wieder, wird aber keinesfalls zum puristischen Folk-Künstler. Viel mehr steht „Guru“ der Essenz seiner Musik näher denn je, besinnt sich auf große Melodien, pointierte Arrangierung und eine Stimme, die aufwühlt und rührt. Das dritte Album des Isländers stellt ihn – abermals – in das herrliche Umfeld eines Jonathan Jeremiah, so ehrlich und doch modern gestaltet sich sein Umgang mit klassischen Klängen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 28.10.2022
Erhältlich über: Record Records (Broken Silence)
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