Turin Brakes – Wide-Eyed Nowhere

Turin Brakes
(c) Cooking Vinyl

Nach einer kleinen Kunstpause melden sich die ewigen Turin Brakes zurück. Ruhig war es in den viereinhalb Jahren seit „Invisible Storm“ keineswegs; man tourte bei jeder Gelegenheit, darunter im vergangenen Jahr ein paar Gigs zum 20jährigen ihres Erstlings, und schrieb zudem neues Material. Dabei überraschte sich das britische Quartett nach eigenen Angaben selbst, da man selbst unter widrigsten Umständen eine gewisse bittere Süße beibehalten konnte. Man lud sich Freunde in Studio ein, ab und an singen Kinder mit, die Natur ist zu hören, und doch bleibt eine gewisse Verzweiflung über innere und äußere Umstände omnipräsent. Das zeigt sich auch im Titel des nunmehr neunten Studioalbums: „Wide-Eyed Nowhere“.

Im prächtigen „World Like That“ kommt die Bedrückung über die eigene Umgebung zur Sprache. Es geht nicht nur um die eigene Antriebslosigkeit bei Rückschlägen in der Mitte des Lebens, sondern auch um eine immer zermürbender, beängstigender werdende Welt. Musikalisch kommt die bittere Süße prima zum Ausdruck, denn die Trademark-Gitarren wirken zittrig und doch bestimmt, auch die Stimmen transportieren eine gewisse Schwere. Davon kann „No Rainbow“ ein Lied singen und tut es auch. Herrliche Melancholie bäumt sich auf, Introvertierthert sucht nach besseren Tagen. Soll die Hoffnung aufgegeben werden?

Ihre bezaubernden Ohrwürmer haben Turin Brakes keinesfalls aufgeben. „Isolation“ ist, Titel hin oder her, ein eingängiges Stück Musik, beschwingt und luftig. Hier kommt die ganze Klasse der Band-Besetzung durch, die aus dem ehemaligen Akustik-Duo längst eine Institution für poppige Magie gemacht hat – leidenschaftlich, energisch, kurzweilig. In „Up For Grabs“ geht es hingegen stärker um Storytelling, teils mit Sprechgesang-Ideen und -Rhythmik flirtend, dabei leger und groovend gehalten – ein wunderbarer Spagat, auf den der Titelsong „Wide-Eyed Nowhere“ mit einem Zwischending aus Ballade und verwaschenem Epos aus der Westentasche antwortet.

Keine großen Überraschungen, sondern einfach „nur“ eine weitere richtig gute Platte: „Wide-Eyed Nowhere“ ist beschwingt und ernst in den richtigen Momenten, baut den vertrauten Sound weiter auf und schreibt weiterhin Mini-Hits sowie anspruchsvolle Diamanten, die gerne eine Spur roher wirken dürfen. Turin Brakes bleiben nach über zwei Jahrzehnten im Geschäft eine Institution, die sich als Band neu erfinden und damit einen vollen Erfolg landen konnte. Die Lockerheit, gepaart mit den häufig nachdenklichen bis beklemmenden Texten, kommt weiterhin mehr als kurzweilig – eine Band wie guter Wein.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 16.09.2022
Erhältlich über: Cooking Vinyl (Indigo)

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