Motorpsycho – Ancient Astronauts
Motorpsycho sind nie um gute und/oder schräge Ideen verlegen. Neben ihren beiden Pandemie-Platten planten sie zwei weitere Projekte in den vergangenen beiden Jahren. Das eine – eine Art Filmkonzept als Alternative zu Live-Stream-Konzerten – befindet sich noch in Arbeit. Zum anderen begleitete man eine Tanzperformance von Homan Sharifi und Impure Dance Company, deren Quell der Inspiration ident mit jener der „N.O.X.“-Suite auf „The All Is One“ war. Neue Musik musste her, und so entstanden zwei überlange Tracks, die gemeinsam mit zwei weiteren Songs erstmals seit langem in klassischer Dreier-Besetzung – Dauer-Studiogast Reine Fiske konnte aufgrund Reise-Beschränkungen nicht mitwirken – aufgenommen wurden. „Ancient Astronauts“ bemüht neue, alte Facetten.
Mit „The Ladder“ gibt es halbwegs reguläre Motorpsycho-Kost, die durch Heavyness und Spielfreude glänzt. Zwar dauert es eine ganze Weile, bis sich die Idee aus seinem Psych-Dickicht schält, die pure Wucht mutiert dafür zum Volltreffer und harmoniert prima mit den suchenden Vocals. Nach einem kurzen Solo hebt der Opener mit einer Art Mini-Crescendo so richtig ab – dramatisch, anspruchsvoll, zugleich die perfekte Vorbereitung für ein kochendes Finale. Hingegen ist „The Flower Of Awareness“ nicht mehr als ein kurzes Zwischenspiel, eine Art Überstellung in die Tanz-Tracks.
Und diese haben es in sich. „Mona Lisa/Azrael“ suhlt sich in spacigen Psych-Landschaften, die Lead-Gitarre zur Songmitte bereitet auf eine grandiose Abfahrt vor. Noisiges Chaos mit Jazz-Untertönen und losgelösten Drumsalven steigen in eine Art Abyss hinab, hinter dem sich schimmernde Melodik verbirgt. „Chariot Of The Sun – To Phaeton On The Occasion Of Sunrise (Theme From An Imaginary Movie)“ dreht komplett am Rad, nimmt mit seinen 22 Minuten die komplette B-Seite in Beschlag. Abermals bauen Motorpsycho unfassbar langsam auf, abermals bäumt sich ein gewaltiger Mittelteil auf. Minutenlang variieren die Norweger das Leitmotiv; das verzögerte Crescendo wühlt im besten Sinne auf.
Selbst für Motorpsycho-Verhältnisse ist dieses Album ein Geduldspiel. Nach einem recht klassischen Auftakt driftet „Ancient Astronauts“ schnell in komplexe Gefilde ab, so episch wie unorthodox. Ja, man muss sich in diesen abermaligen musikalischen Shift erst hineindenken, aber das trifft eigentlich auf so ziemlich jedes Werk der Norweger zu. Die langen Überleitungen und Zäsuren gehen schon mal an die Substanz, die anschließenden Explosionen brennen sich dafür sofort ein. „Ancient Astronauts“ wagt eine weitere Trendumkehr, die volle Aufmerksamkeit und offene Ohren erfordert. Es lohnt sich jedoch, wie eigentlich immer bei Motorpsycho.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 19.08.2022
Erhältlich über: Stickman Records (Soulfood Music)
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