Spice – Viv

Spice
(c) Nedda Afsari

Manchmal geht es ganz schnell: 2018 gegründet, veröffentlichten Spice um aktuelle und ehemalige Mitglieder so illustrer Bands wie Ceremony, Sabertooth Zombie und Creative Adult im Sommer 2020 ein spannendes Debütalbum und legen knapp zwei Jahre später nach. Den Sound erklärt man ganz lapidar – man sperrte sich in einem Zimmer ein, das hier sei das Ergebnis. „Viv“ – benannt nach einem früheren Projekt von Bassist Cody Sullivan und Geigerin Victoria Skudlarek – spinnt den leicht experimentellen, emotionalen Rockfaden des US-Quintetts geschickt weiter.

Und dieser Faden wirkt bunter, schillernder denn je. Das laute „Recovery“ drückt mit seinen Drums die Boxen flach, dahinter verbirgt sich eine unterhaltsame Mischung aus Indie und Alternative, während die Vocals eher an Interpol erinnern. Dieser düstere und doch energische Zwiespalt wird drei Minuten lang kultiviert und führt zu einem grandiosen Refrain. Hingegen holt sich „Dining Out“ das Understatement von Anfang an dazu, sucht nach himmlischem Momentum und lässt den Bass eine dominante, verschrobene Rolle spielen. Während die Gitarren nach der richtigen Melodiefolge suchen, driftet der Track ins Nirgendwo ab.

„Any Day Now“, befinden Spice, aber was passieren soll, bleibt unklar. Die Aufbruchsstimmung dieses kurzen Tracks reißt mit, wobei die schwerfällige Dynamik überraschende Trail Of Dead-Qualitäten in sich trägt. Statt Prog und Art setzt es hingegen dicken, verwaschenen Rock. Doch auch Post Punk mischt weiterhin fröhlich mit. Das abschließende „Climbing Down The Ladder“ schwingt sich zum emotionalen Höhepunkt des Zweitlings auf. Skudlareks Geige erhält eine prominente Rolle, vermengt frühe Arcade Fire mit der treibenden Sinnsuche von Spectres. Das Ergebnis ist ein Meisterwerk an innerer Zerrissenheit und anmutiger Schönheit in widrigsten Verhältnissen.

Tatsächlich vergeht diese halbe Stunde wie im Flug. Spice erzeugen einen musikalischen Sog und ziehen mit Anlauf in selbigen hinein. So zugänglich „Viv“ auch beginnt, die sich zunehmend verfinsternden Wolken tragen ihren ganz eigenen Reiz in sich. Rundherum scheint sich alles in Schall und Rauch aufzulösen, bis die zerrissene Ernüchterung bleibt. Treibende Rocksongs, emotionale Schwerenöter, ja sogar etwas Power-Pop als frische Facette begleiten das zweite Spice-Album. Das US-Quintett zeigt sich ein weiteres Mal von seiner besten Seite mit einer energischen, aufwühlenden Rauscherfahrung.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 20.05.2022
Erhältlich über: Dais Records (Cargo Records)

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