Kellermensch – Capitulism

Kellermensch
(c) Morten Rygaard

Alle heiligen Zeiten tauchen Kellermensch wieder aus der im Bandnamen verankerten Versenkung auf und bringen neue Musik unter das Noir-wütige Volk. So landet nun das ‚erst‘ dritte Album in elf Jahren. Bislang lohnte sich die Wartezeit stets, denn die Dänen verstehen es perfekt, ihre Düsternis in frische, aufregende Songs zu pressen. Die letzten beiden Jahre trugen selbstverständlich zum Sound und zur Präsentation von „Capitulism“ bei. Sie hätten sich noch nie so sehr verausgabt, gibt das Sextett zu Protokoll. Das glaubt man ihnen anhand dieser neuen Finsterperlen gerne.

Den Auftakt macht „Instrumental“. Hier kommt kein Gesang vor, weil nomen est omen. Es ist eine Noir-Fanfare, die mit fortlaufender Spieldauer eskaliert, durch ihren kraftvollen, ausdrucksstarken Aufbau sogar leichte Post-Rock-Qualitäten in sich trägt. „Mission“ mag bereits länger bekannt sein, ist aber (nach wie vor) ein Hit. Hier rufen Kellermensch sämtliche Qualitäten ab, die bereits ihre letzten beiden Platten so großartig wirken ließen. Im steten Spannungsfeld der Emotionen entsteht ein beklemmender Schwanengesang auf Sensibilitäten, der Himmel verfinstert sich vermehrt, bis drückende Distortion ein angenehm manisches Finale auf schweren Schwingen hinfort trägt.

Wie sich das für Kellermensch gehört, dauert es gerne mal eine ganze Weile, bis die Songs ihre volle Strahlkraft entfalten. Dabei geht der Rausschmeißer „I’m Not Like Everybody Else“ ausnahmsweise sogar von Anfang an ins Ohr. Klassische, leicht nostalgische Vibes halten Einzug, verbinden bittersüße Vibes mit verwaschenem Pop-Appeal, nur um schlussendlich erneut zu eskalieren. Die ruppige Wahnsinnstat gehört zum Sound der Dänen einfach dazu. In „Follow You Around“ wird sie von der ersten Sekunde an mitgedacht, sägt durch den schwerfälligen Marsch und mündet in abgehangenen Soli, deren quengelige Eigenwilligkeit zu faszinieren weiß.

Zwar bleibt der überwältigende Aha-Effekt der beiden Vorgänger aus – man weiß inzwischen, was man kriegt – doch kann auch „Capitulism“ auf voller Linie überzeugen. Mittlerweile kennt man die Noir-Zutaten zur Genüge. Kellermensch gehen mit diesen sehr freizügig um und schaffen abermals wunderbar aufwühlende Perlen, deren volle Strahlkraft sich erst mit etwas (viel) Geduld entfaltet. Ein weiteres Grower-Album lässt konträre und doch faszinierende Stimmungen am laufenden Band miteinander kollidieren. Überlebensgroße hymnische Momente, erschütternde Beklemmung und zuweilen bratende Härte sind die perfekten Zutaten für einen weiteren Leckerbissen der sich gerne rar machenden Dänen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 27.05.2022
Erhältlich über: Motor Music / Persona Non Grata Records (Edel)

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