Jesse Mac Cormack – Solo
In den Untiefen der Pandemie und der Lockdowns, als seine Beziehung gerade in Begriff war, in die Brüche zu gehen, fasste Jesse Mac Cormack nach langem Mäandern den Mut zur Veränderung. Wollte nach vorne blicken und gehen, und tat letztlich genau das: Für den Nachfolger von „Now“ sollte es etwas sanfter werden, dennoch geprägt von der Angst und den Enttäuschungen der letzten Jahre. „Solo“ holt Stücke, die eigentlich nach einem Singer/Songwriter-Umfeld verlangen, in einen spannenden Mikrokosmos der Elektronik.
Das eröffnende „Blue World“ ist schwerfällig in jeder Hinsicht. Ein deeper Beat, die legere und doch treibende Synthi, Mac Cormacks feinsinniger Gesang, der in hohen Gefilden volle Aufmerksamkeit erfordert – klare Kante mit wunderbar poppiger Verdichtung im Refrain. Darunter liegen gewohnt aufwühlende Lyrics. In dieser ungefähren Gangart fühlt sich auch das folgende „Let It Go“ richtig wohl. Während das vorwitzige Arrangement an das Frühwerk von Totally Enormous Extinct Dinosaurs erinnert, folgen Konzept und Vortrag deutlich drastischeren Mustern.
Jesse Mac Cormack bringt seine eigene Variante einer Text-Bild-Schere vor, wenn Musik und Inhalt gerne mal weit auseinanderliegen. In „LBTA“ stimmt dann doch alles zusammen, denn der fließende Übergang von wuchtiger Deepness zu ätherischer Leichtfüßigkeit und retour prägt dieses bezaubernde, ellenlange Machwerk. Hingegen kommen „A&E“ dem erwarteten Singer/Songwriter-Sound so nah wie nie, fast schon an José González anknüpfend, dann wieder in Richtung Radiohead abdriftend. Aus dieser zittrigen Fragilität mit bestimmter Präsentation schält sich die nächste Perle.
Eigentlich hat „Solo“ kein Recht, so verdammt gut zu harmonieren, weil zwischen Erwartung und Realität derartige Welten liegen, selbst wenn man Jesse Mac Cormacks Debüt kennt. Und doch ist der Nachfolger mehr als stimmig geworden. Man muss sich ein wenig fallen lassen, die Platte muss erst anrollen und ihren ureigenen, ungewöhnlichen Charme verbreiten. Das Ergebnis spricht für sich – ein wenig James Blake hier, eine gehörige Portion Gus Dapperton da, dennoch stets unverkennbar Mac Cormack – und geht ohne Umwege unter die Haut.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 08.04.2022
Erhältlich über: Secret City Records (Rough Trade)
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