Proper. – The Great American Novel

Proper.
(c) Milla Belanich

Schwarz und queer in einer überwiegend cis-männlichen, heterosexuellen Szene zu sein, ist – gelinde gesagt – alles andere als einfach. Proper. packen ihre Erfahrungen in kleine Songperlen zwischen Sturm, Drang und Suche. „I Spent The Winter Writing Songs About Getting Better“ setzte sich vor knapp drei Jahren mit dem Ausbruch aus Erwartungen des eigenen Umfelds auseinander, nun will das Trio gleich ein komplettes Buch vertonen. Jeder Track auf „The Great American Novel“ versteht sich als Kapitel eines Twenty-Something-Protagonisten, der in den 2010er Jahren aufwächst und sich mit der missbräulichen Beziehung seiner Herkunft und seiner Identität auseinandersetzt.

Sänger und Gitarrist Erik Garlington nennt seinen Hauptdarsteller einen queeren, schwarzen Holden Caulfield, der seine 20er erlebt. In „Red, White, & Blue“ geht es beispielsweise darum, was es heißt, Amerikaner zu sein, wie kompliziert und verletztend diese Beziehung ist, und wie man von dieser eigentlich nicht loskommen kann. Der forsche, leicht schroffe Ansatz brennt sich ein, etwas Emo und sogar Post-Hardcore schwingen mit. Davon hat auch „Huerta“, die Auseinandersetzung mit dem einst romantisierten mexianischen Erbe des Sängers, einiges an Bord. Noch mehr Stop and Go, schroffe Einschläge und bratende Gitarrenwände neben Stakkato-Riffing brennen sich ein.

Überhaupt ist diese Platte sehr lebhaft und vielschichtig geworden, sucht nach frischen Ideen und neuen Ansätzen. Der angedeutete Stream of Consciousness von „In The Van Somewhere Outside Of Birmingham“ erfährt Entfremdung und die vielleicht wütendsten Parts auf „The Great American Novel“ – scharfkantig, furios, fast schon schäumend – und dann ist plötzlich Ruhe. Wie sich „Americana“ hingegen aufbäumt von der zarten, fast schon folkigen Idee zum drastischen Manifest mit Nachdruck, mit Biss, mit ungeschönten Worten und der Hoffnung auf ein besseres Morgen, das sich letztlich doch zu verbergen weiß, geht unter die Haut.

Mehr denn je drängen sich Vergleiche mit Conor Oberst bzw. den Desaparecidos im Stile des Vortrags, des Stilbruchs und der Konsequenz dahinter auf. Dabei darf aber keinesfalls unter den Tisch fallen, dass Proper. ein eigenes Biest sind, dass Garlington ein grandioser Storyteller ist, dass die ganze Band eindrucksvoll abliefert. „The Great American Novel“ hört sich tatsächlich wie ein großes Buch. Gerne lässt man sich fallen, wachrütteln, weint sich in den Schlaf, will rebellieren, kämpft mit Resignation und hofft auf die große, majestätische Auflösung. Groß ist dieses neue Werk so und so, gewiss die bislang beste Proper.-Platte und ein heißer Kandidaten für die Jahreshitlisten.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 25.03.2022
Erhältlich über: Big Scary Monsters (Membran)

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