Lyvten – Offbeast
Im Hause Lyvten bewegt sich einiges: Nach der kurzweiligen EP „Prebeast“ mischt der (nicht mehr ganz so) neue Sänger und Gitarrist Claudio Kaiser erstmals auf Albumlänge mit, die Platte wurde gemeinsam im Proberaum zusammengebastelt, zudem steht eine neue Plattenfirma dahinter. Musikalisch braucht es hingegen keine Sprünge. Punk bleibt weiterhin das Fundament, mit Post-, Rock- und Hardcore-Begleitung wechselnd in Szene gesetzt. „Offbeast“ sollte ursprünglich bereits im Dezember erscheinen, haut aber auch jetzt doppelt und dreifach rein.
Elf gewohnt kraftvolle, energiegeladene Kapitel säumen den Weg. „Alles auf Rot“ täuscht Lässigkeit mit locker gehaltenen Drums und singender Gitarre vor. Was zunächst zögerlich wirkt, wächst schnell zum Midtempo-Kraftpaket mit hymnischem Charakter an, dessen etatmäßige Abgründigkeit in aller präzisen Erwartbarkeit mitschwingt und den Mini-Hit verfolgt. Davon könnte „Digitaler Dreck“ kaum weiter entfernt sein – nicht etwa, weil der Track schlecht wäre (ganz im Gegenteil!), sondern weil das forsche Tempo, die bissige lyrische Kante und die Hardcore-Untertöne keinen Stein auf dem anderen lassen … und doch ins Ohr gehen, irgendwie.
„Die Angst kommt zu Besuch“ ist alleine schon als Titel genial, legt den Finger mit giftiger Galle in die offene Wunde und bezieht klare Stellung gegen die obligatorischen Wahnsinnigen. Dass dahinter ein spannender musikalischer Spagat zwischen verkappter Melodik und schroffer Dissonanz steckt, macht doppelt Laune. Hingegen ackert sich „Mucki“ sogleich nach vorne und erhöht als Opener die Schlagzahl gekonnt. Bissiger Dreck, Refrain zwischen Ohrwurm und unbequemer Abrissbirne, kondensierter Biss – Lyvten in absoluter Bestform.
In dieser neuen und mittlerweile doch schon wieder etablierten Aufstellung setzen Lyvten kleine Überflieger am laufenden Band ab. Der Sound scheint noch eine Spur forscher und direkter, die Texte bleiben eine Stärke, das Songwriting zieht gekonnt in verschiedene Richtungen ohne Verschnitt: „Offbeast“ ist das dritte Album einer Band, die sich längst etabliert hat und doch alles andere als satt ist. Die vier Schweizer strecken sich mit ihrem Punk-Ansatz gefühlt gleichzeitig in sämtliche Himmelsrichtungen und werfen packende Tracks im Vorbeigehen ab – wahrlich ein Biest von einem Album.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 01.04.2022
Erhältlich über: Kidnap Music (Cargo Records)
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