Fheels – Lotus

Fheels
(c) Sophie Schwarzenberger

Der Weg ist das Ziel, auch wenn er fünf Jahre dauert. Fheels ließen sich alle Zeit der Welt, erspielten sich live ein Publikum, veröffentlichten eine spannende EP, machten sehenswerte Videos. Jetzt liegt der Alternative Rock – ein sehr ungefährer Richtwert – der vier Hamburger endlich auf Albumlänge vor. Mitten aus Altona erhebt sich „Lotus“ und blüht so spannend wie mysteriös auf. Bis dahin wollten allerdings einige Herausforderungen absolviert haben, denn nach abgeschlossener Musikschule brachen nicht nur viele Kontakte weg, den im Rollstuhl sitzenden Sänger und Gitarristen Felix Brückner begleiten ganz eigene Hürden, die viel zu oft unsichtbar bleiben. Genau das soll sich ändern.

Eine dieser Hürden betrifft das Tabuthema Behinderung und Sexualität, warum auch immer hier noch tabuisiert wird. „Sharp Dressed Animal“ baut sich betont explizit auf, begleitet von lässigem Groove mit funkigen Untertönen und dreckigen, dicken Gitarrenbreitseiten. Das dazugehörige Video trifft ähnlich eindeutige Aussagen. Der Opener „Lotusland“ geht ebenfalls sofort ins Ohr, bloß auf ganz andere Weise. Fheels deuten eine kleine Explosion an, ohne jedoch so recht in die Vollen gehen. Ein wenig erinnert das stete Brodeln an frühe Muse, Prog und Falsett haben etwas von Leprous, und doch ist diese Zusammensetzung angenehm neu, ungewöhnlich, packend.

Zwei ellenlange Songs hintereinander trennen die Spreu vom Weizen und etablieren das Quartett. „Phil The Beggar“ ist wunderbar massiv und schwerfällig mit einer Gitarre, die durchaus Tool-Esprit in sich trägt. Jazzige Einschübe, beklemmende Düsternis und wortreiche Gesten treiben den Malstrom vor sich hin. Irgendwann ergeben sich Fheels doch einem kathartischen Gefühlsausbruch, begleitet von mächtigen instrumentalen Fanfaren. Hingegen verharrt „Time“ lange Zeit in einfühlsamer Fragilität, nur um mit überraschender Pop-Schlagseite durch die Decke zu gehen. Auch das war nicht unbedingt erwartet worden, kommt aber gut.

Tatsächlich gelingt mit „Lotus“ ein Volltreffer in neun aufwühlenden Kapiteln – das in jeder Hinsicht beklemmende „Daybreak“ sei an dieser Stelle gesondert hervorgehoben. Das klassische Schema F gibt es bei Fheels nicht, dafür eine faszinierende stilistische Pluralität, die sich zwar gerne mal durch die Rockgeschichte zitiert und Einflüsse aus zig Jahrzehnten aufs Tableau holt, dabei jedoch zeitlos anmutet. Zwischen dreckigen, drückenden Breitseiten, verspielten Prog-Fanfaren, instrumentaler Kunst und düsterem Wechselbad der Gefühle legen die Hamburger einen von vorne bis hinten packenden Einstand vor.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 01.04.2022
Erhältlich über: SUPERLAUT (Edel)

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