Gang Of Youths – Angel In Realtime

Gang Of Youths
(c) Ed Cooke

Eine der größten Bands Australiens der letzten Jahre wird erneut vorstellig. Mit ihren bisherigen beiden Alben schafften es Gang Of Youths in die oberen Regionen der nationalen Charts, zuletzt sogar bis an die Spitze. Dennoch sind viereinhalb Jahre seit „Go Farther In Lightness“ vergangen, nicht nur angesichts ausdauernder Touren. Das Leben und Vermächtnis von Dave Le’aupepes Vater wurde schnell zum Haupthema, der Sprössling verwarf nach eigenen Angaben zumindest zwei Versionen der neuen Platte, mit Tom Hobden wurde zudem ein neues Mitglied ins Line-up integriert. „Angel In Realtime“ schlägt nun in vielerlei Hinsicht über die Stränge.

Besonders auffällig ist der Blick auf die Trackliste: 13 Songs, 67 Minuten Spielzeit. Das ist … viel, fast schon zu viel, und geht an die Grenze des Erfassbaren. Songs wie „The Angel Of 8th Ave.“ sind eine Seltenheit – der einzige Track, der gerade noch unter vier Minuten bleibt. Die Schlagzahl wird etwas erhöht, die Melodie brennt sich ein, der Refrain ist ein Indie-Alternative-Hybrid mit hohem Suchtfaktor. Dass Gang Of Youths keine reine Rockband sind, zeigen sie vielerorts. So überrascht „Forbearance“ mit Drum’n’Bass-Fundament, das mit Piano und Streichern prima harmoniert – bewegend, aufwühlend und sehr flott zugleich.

Die An- und Abwesenheit des Vaters schimmert auf allen Ebenen durch. „In The Wake Of Your Leave“ deutet sie bereits im Titel an und geht doch sauber nach vorne, eine wunderbar schwungvolle Nummer, die sofort mitreißt und fesselt. Auch „The Man Himself“ wirkt sehr lebhaft und intensiv, begleitet von einem tollen Sample, das auf der Insel Mangaia (Cook-Inseln) aufgenommen wurde. Und dann gibt es die überlangen, bewegenden Nummern, die mehr denn je in poppige und doch komplexe Gefilde eintauchen. Aus „Unison“ bricht plötzlich ein Saxofon heraus, rundherum sucht der Track seine Bestimmung. „You In Everything“ wird zur siebenminütigen Trauerarbeit mit grandiosen Strings, die unter die Haut gehen.

Mit der schieren Menge an Musik sollten sich Gang Of Youths zumindest theoretisch im Weg stehen, doch weiß diese Klangreise selbst im überlangen Format zu bewegen und zu begeistern. Die Australier gehen in jeder Hinsicht neue Wege und versuchen sich mit diesem Opus Magnus vor einer großen Person zu verneigen. „Angel In Realtime“ erinnert mehr denn je an Elbow, schraubt den Rock-Anteil zurück und feiert stattdessen ein großes Leben. Man hört Dave Le’aupepe an, dass dieses Album perfekt werden sollte, so reich sind die Texturen, so dicht der Sound. Der Begriff ‚bewegend“ wird dem Ergebnis nicht annähernd gerecht.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 25.02.2022
Erhältlich über: Mosy Music (Warner Music)

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