The Waltz – Looking-Glass Self

The Waltz
(c) Kay Lacombe

Rock aus Belgien hat Tradition, und so ist es immer wieder eine Freude, wenn schlagkräftige Newcomer neue und alte Weirdness mit allerlei Muskelspielen vermengen. So oder so ähnlich lässt sich die Präsentation von The Waltz zusammenfassen, für die mit Labelman sogar ein Klassiker unter den Benelux-Plattenfirmen wiederbelebt wurde. Berauschende Wahnsinnstaten schlagen die Brücke zwischen Post Punk, Noise und Indie, hymnische Ansätze werden von dissonantem Chaos regelrecht niedergebügelt. Wohl bekomm’s, sagt das Debütalbum „Looking-Glass Self“.

„Necessary Evil“ bringt das eigenbrötlerische Auftreten geradezu vorzüglich auf den Punkt. Ominöses Momentum trägt den Song durch finstere Täler, hinter denen sich dennoch so etwas wie melodische Hoffnung verbirgt; Hoffnung, die schnell in puren Horror umschlägt. Das rumpelnde „All The Rage“ deutet den Ansatz auf zappelnde Lautmalerei um – wie Lice, nur beißender. Fokussierte Manie rattert durch Zäsuren, durch urplötzliche Explosionen und derbe Nackenschläge im Akkord. Gelebte Brutalität schlägt wiederholt mit wachsender Begeisterung zu. Gras wächst hier schon lange nicht mehr, bloß Schmerzen.

Mit nervöser Energie wachsen die Belgier über sich hinaus. Ihr „Egocide“ wirkt zynisch, bratend, unnahbar, und doch – vielleicht auch gerade deswegen – so bezaubernd. Nicht zum letzten Mal winken Raketkanon vorbei. Die Unberechenbarkeit der Landsleute taucht immer wieder auf, zudem schimmern in dieser Episode Refused mit ihrem Old-School-Post-Hardcore durch. Hingegen deutet „Dicktator“ den nervösen, noisigen Post-Punk-Ansatz in den eingängigen Momenten auf so etwas wie Stoner Rock um, packt fette Harmonien aus und rattert schließlich die Kellertreppe hinab. Das tut weh, hat aber Methode.

Stetes Chaos mit Stil und Methode, so oder so ähnlich lassen sich The Waltz auf den Punkt bringen. Ihr erstes Album will keine Freundschaften schließen und kann doch unmöglich ignoriert werden. Über weite Strecken ist „Looking-Glass Self“ schräg, abweisend, möglichst schroff. Und doch geht das Ding ins Ohr, breiten sich kolossale Spannungsbögen aus, die mit Post-Punk-Erwartungen um die Wette fechten. Noisige Hymnen, Indie-Habitus und verschränkte Arme werfen eine im besten Sinne bizarre Klangreise ab, die Laune macht. Auch wenn’s manchmal schmerzt.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 28.01.2022
Erhältlich über: Labelman

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