Aua – The Damaged Organ

Aua
(c) Jörn Schüler

In einer Gegenwart, die Distanzierung auf vielen Ebenen förmlich erzwingt, kommt eine Platte über Entfremdung gerade recht. Das semi-elektronische Krautrock-Duo Aua konnte bereits im Herbst 2020 mit seinem Debüt „I Don’t Want It Darker“ einen verdienten Achtungserfolg einfahren. Nun bemühen sich die von Radare bekannten Fabian Bremer und Henrik Eichmann um zusätzliche klangliche Öffnung, für die man extra ausgefallene elektronische Instrumente auftrieb. „The Damaged Organ“ treibt die Suche nach der eigenen Identität in einer sich konstant verzerrenden Welt auf die Spitze.

Ausgerechnet der Rausschmeißer spannt dem Bogen zum Einstand. „Inferior (Glowing One, Pt. 2)“ greift ein bekanntes Motiv auf und sucht neue Wege. Was zunächst behutsam und reduziert beginnt, entwickelt schnell ein brodelndes Eigenleben mit immer mehr Instrumenten, während der stoische Unterbau ein wenig an die jüngeren Radiohead-Platten erinnert. Der „Islands Song“ mit Anika fällt ähnlich ungewöhnlich aus. Auch hier tut sich eigentlich recht wenig, auch hier stört das nicht. In der gefühlt endlosen Schleife kommen die suchenden Vocals gleich doppelt gut, eine bezaubernde Melodie wird freigesetzt.

Das wunderbar jenseitige, befremdlich blubbernde „No One Famous Ever Came From Here“ stellt den erfrischenden Auftakt dieser Platte dar. Fragile Melodiekonstrukte treffen auf virtuose Drums, mächtige Loops und präzise Wiederholungen. Eine gewisse Vorsicht scheint auch in „Death In Space“ immer wieder durch, wird jedoch von hochtrabenden Auflösungen mit fanfarenartigen Untertönen torpediert. Der Spagat zwischen sorgsam konstruierten Weisheiten und mächtiger Wuchtbrumme kommt gut. Ähnliches bemüht „Brick Break“, dessen lauter Beat und treibende Synthie unter anderem Stateless und sogar alt-J bemüht.

Aua öffnen sich und schaffen dennoch Vertrautes. Aus den Kraut-Untiefen entsteht mehr und mehr so etwas wie ein neuer, alternativer Pop-Ansatz, ohne auch nur annähernd in populärmelodischen Gefilden zu fischen. Dieser Spagat bekommt „The Damaged Organ“ gut. In einer knappen halben Stunde wird es elektronischer und organischer zugleich, rauer und einfühlsamer, verkopfter und harmonischer. Das Spiel mit den Widersprüchen kreiert richtig gute Tracks und schafft eine Platte, an der man sich nicht so schnell satt hören kann. Selten klang Entfremdung so verzaubernd.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 21.01.2022
Erhältlich über: Crazysane Records (Broken Silence)

Aua @ Facebook
„The Damaged Organ“ @ Amazon kaufen