Lionlimb – Spiral Groove
Von der Backing-Band zum Hauptact: Lionlimb begannen als Unterstützung von Angel Olsen und sind mittlerweile eine komplett eigenständige Entität, im Grunde das Baby von Singer/Songwriter Stewart Bronaugh. Dieser schrieb seine neuen Songs vor dem Ausbruch der einschneidenden Pandemie, als er sich von einer Nackenoperation erholte. Geschichten von Sucht und Nüchternheit, von Sterblichkeit und der großen Liebe begleiten ein herrlich organisch instrumentiertes Werk, so kunterbunt und nostalgisch wie es kraftvoll im Hier und Jetzt verankert ist. „Spiral Groove“ hievt Lionlimb auf ein neues Level.
Die wundersamen Geschichten gehen weit über klassische Singer/Songwriter- oder sogar Indie-Erwartungen hinaus und bemühen Pop-Sensibilitäten der überaus feinsinnigen Art. „Lifespan“ scheint geradezu anonym durch die Lande zu tänzeln, kommt nicht so richtig zu Potte, und schüttelt aus dem Nichts einen von vielen großartigen Refrains aus dem Ärmel, um den herum kurzweilige Leichtigkeit wächst und gedeiht. „Real Life“ sucht diesen Hauch eines echten Lebens, wirklicher Begebenheiten, zunehmend treibender und tanzbarer. Für Lionlimb-Verhältnisse geht der Dreiminüter aus sich heraus, schwingt das imaginäre Tanzbein, ist mit wachsender Begeisterung bei der Sache.
Im ellenlangen „Everyday“, das sogar einen verstohlenen Blick auf die Fünf-Minuten-Marke wirft, sind Lionlimb in ihrem Element. Ausladende Texturen werden übereinander gestapelt, eine selten prominente Gitarre taucht in Soft-Rock-Gefilde ein, dezente 80s-Vibe verbreiten romantischen Käse mit lebensechter Leidenschaft. Das dürfte nicht funktionieren, macht aber ebenso Laune wie der Muzak-Überrest „Nothing“, der den Fahrstuhl verlässt, sich einen Beat anlacht und diese Muskeln spielen lässt. Im eröffnenden „Electric“ ist es hingegen die federleichte Synth-Landschaft, die in ferne Gedankenwelten entführt.
Und so wird „Spiral Groove“ zur steten, zur konstanten Suche nach dem perfekten Pop-Moment, der entgegen aller Erwartungen wunderbar luftig und unaufdringlich bleibt. Es geht eben nicht um maximales Airplay, sondern um den ehrlichen Ausdruck teils widersprüchlicher Gefühlswelten. Lionlimb punkten vor allem durch die vielschichtigen, teils überlebensgroßen Texturen, die ohnehin guten Ideen zusätzlichen Verve, ein Plus an Tiefgang verleihen, entfernt an Jonathan Jeremiah erinnernd, bloß mit höherem Synth-Anteil. Durch die Bank richtig gute Songs und Futter für die Seele – ein mächtiges neues Werk, ein wichtiges Licht im Dunkel dieser Zeit.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 12.11.2021
Erhältlich über: Bayonet Records (Cargo Records)
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