Elbow – Flying Dream 1
Außergewöhnliche Zeiten fördern außergewöhnliche Alben zutage. Elbow – vier Musiker, die sich eigentlich nur während des Band-Alltags unterhalten – schrieben ihre neuen Songs distanziert. Das passt zum Ethos, das passt zur komplizierten Zeit. Für die Aufnahmen mietete man hingegen ein Theater in Brighton, das damals erzwungenermaßen leerstand, und nutze den erhabenen, weit offenen und zugleich so stillen Raum für eine Platte, die sich ebenfalls den etwas leiseren Momenten widmet. „Flying Dream 1“ befreite sich von etwaigen Erwartungen an ein Elbow-Album und bemühte sich stattdessen um Ruhe.
Entsprechend rar machen sich die überschwänglichen Exkurse, man muss sich erst in diese Platte reinarbeiten. Da wäre beispielsweise „The Seldom Seen Kid“, quasi der verspätete Titelsong des 2008er-Albums mit dem Überhit „One Day Like This“. Der Track für den verstorbenen Weggefährten Bryan Glancy breitet sich sehr gemächlich aus, legt den Fokus auf Piano – das wichtigste Instrument des neuen Albums – und Gesang. Auch die zweite Single, „Six Words“, mag es luftig, mag es verspielt, wenngleich Rhythmus und Backings fast schon beflügelnd anmuten. Es ist einer der etwas lebhafteren Momente des neunten Studioalbums, ein wichtiger Farbtupfer.
Im bewegenden Titelsong scheint Guy Garvey häufig mit seinen Gedanken alleine, rund um die Tasten passiert wenig, was zur herrlichen Grundstimmung passt. „Calm And Happy“ wippt hingegen behutsam vor und zurück, sucht nach dem emotionalen Highlight. Genau das bringt „Red Sky Radio (Baby Baby Baby)“ aufs Tableau, stellenweise fast schon lebhaft, urtypisch Elbow und dank animierter, energischer Gesangsperformance sofort ins Ohr. „After The Eclipse“ wechselt sogar kurz ins Falsett, bringt etwas Soul mit, aber eben auch einen recht kräftigen Basslauf.
Die großen Übersongs fehlen „Flying Dream 1“, das wird schnell klar, doch offenbart sich die wahre Qualität der neuen Platte erst mit der Zeit. Was anfangs noch zaghaft, beinahe übervorsichtig wirkt, wird mit der Zeit flügge, lebhaft, behält sich dennoch seine fragile, minimalistische Schönheit. Elbow verzichten auf große Gesten, bemühen ein Gesamtkunstwerk und suchen nach erhabenen Momenten in der Ruhe, in der Nachdenklichkeit. Das Ergebnis ist ein angenehm anderes Album, so vertraut und doch so erfrischend. Gewisse Elbow-Merkmale mögen fehlen, Musikalität und Songwriting sind dafür einmal mehr über jegliche Zweifel doppelt und dreifach erhaben.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 19.11.2021
Erhältlich über: Polydor (Universal Music)
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