Kælan Mikla – Undir Köldum Norðurljósum
Hinter Kælan Mikla liegt ein hochspannender Weg. Ursprünglich 2013 im Rahmen eines Poesie-Wettbewerbs in Reykjavik gegründet, erforscht das Trio eine Welt isländischer Kultur und Geschichte mit veränderbaren Vorzeichen. Aus der einstigen DIY-Punk-Band wurde auf den bisherigen drei Album eine eigentümliche Entität zwischen Post Punk, Synthie-Pop, Folklore und pulsierenden Beats. Man tourte mit Alcest und Drab Majesty, zählt zudem zu den Favoriten von The Cure-Legende Robert Smith. Artoffact packt nun die Gelegenheit beim Schopf und verleiht der neuen Platte „Undir Köldum Norðurljósum“ eine gebührende Plattform.
Infernale Tanzbarkeit trifft Abhandlungen über isländische Natur und Märchen – das liest sich komplett abstrus, klappt aber prima. „Sólstöður“ bringt genau das auf den Punkt mit wuchtigem Bass, engelsgleichen Stimmen und bedrückenden Darkwave-Einflüssen. Die nächste Katastrophe, der große Untergang scheinen sich hinter der nächsten Tür zu verstecken, das Hinarbeiten auf den erwarteten Zusammenbruch ist unterhaltsam. Das gilt auch für „Hvítir Sandar“ mit dezenter Alcest-Instrumentierung. Konstante bedrückende Finsternis trifft auf vereinzelte Schreie, der verwaschene Untergang schlägt direkt aufs Gemüt.
Eine gewisse Unvorhersehbarkeit, die schon mal auf EBM trifft, macht sich durchaus gut. So brennt sich „Halastjarnan“ bei aller Schwere ein, quasi das Licht zum Hatari’schen Schatten mit feiner Klinge anstatt brachialer Industrial-Druckwellen. Gegen Ende des Albums werden die folkloristischen Exkurse dominanter, beispielsweise in den Flötentönen des mäandernden „Óskasteinar“ oder dem tatsächlich märchenhaft schwebenden „Saman“. Der tanzbare, poppige Gegenpol „Ósýnileg“ und das schroffe „Svört Augu“ stellen sich sofort und gekonnt dagegen.
Und so bewegt sich „Undir Köldum Norðurljósum“ wiederholt in Gefilden, die ordentlich Spielraum für Interpretation lassen. In Verbindung mit einer weitestgehend unverständlichen Sprache verstärkt sich der mystische Effekt, den Kælan Mikla so grandios umzusetzen wissen. Schleifende Düsternis, Pop mit Nachdruck, brachiale Tanzbarkeit und waschechte, reduzierte Folk-Ausflüge erzeugen eine wahrlich einzigartige Atmosphäre, die immer wieder aufs Neue verzaubert. Was auch immer Kælan Mikla tun, es funktioniert wunderbar und entzieht sich jeglicher Beschreibung. Das sollte, nein, das muss man gehört und erlebt haben.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 15.10.2021
Erhältlich über: Artoffact Records (Cargo Records)
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