Slow Leaves – Holiday
Der Ausbruch aus dem eigenen thematischen Mikrokosmos entwickelte sich für Grant Davidson zum Motor für neue Höchstleistungen. Als Slow Leaves widmete sich der kanadische Singer/Songwriter auf den letzten Platten vor allem Variationen des Themas Ehrlichkeit, fühlte sich nach einer Zeit jedoch leer und suchte sogar nach einem neuen Job. Das gestaltete sich während der Pandemie nicht so einfach, also nahm er einfach zum Spaß neue Musik auf, komplett ohne den bisherigen Zwang, erneut ein persönliches Thema zu verarbeiten. Daraus entstand „Holiday“, das nach einer kräftigen Verschiebung endlich zur Landung ansetzt.
Im Titelsong schwingt fragiles Fernweh mit, der Wunsch nach dem Ausbruch, einfach einmal alles hinter sich zu lassen. Davidsons angenehme und doch leicht brüchige Stimme, gepaart mit dem sympathischen Folk-Rock-Sound, brennt sich schnell ein. Eine gewisse Art von Understatement zieht sich durch die knapp drei Minuten, ebenso ganz viel Ohrwurm-Charme. Hingegen setzt das eröffnende „Love, I Guess“ das Tempo einen Tacken höher an und bringt ordentlich Dringlichkeit mit sich, die an gemäßige Modest Mouse oder einen nervösen Nick Drake erinnert. Gekonnt flattert das Arrangement vor sich hin, während der Protagonist immer wieder in höhere Register abbiegt.
Fast schon resignierend schlägt „Losing My Mind“ ruhigere Töne an, spielt mit balladesker Fragilität und flüstert zarten Singer/Songwriter-Pop, während die Welt zunehmend aus den Fugen gerät. Das kurze, knackige „About Your Love“ gibt sich nervös, fast schon überdreht. Klar, der Gedanke an Liebe und Zuneigung kann so einiges auf den Kopf stellen, das hört man in diesem süßlichen und doch animierten Track wunderbar. Und doch passt nicht alles, wie „Not All Roses“ – eine Buckley’sche Midtempo-Weisheit, eine kurzweilige Badly Drawn Boy-Episode mit schillerndem Sound, tief in den Songwriter-Retro-Topf greifend – tituliert. Das abschließende Gedicht „Boredom“ befindet letztlich doch, dass das Leben toll ist.
Es mag nicht alles eitel Sonnenschein sein, doch im Großen und Ganzen passt das schon: Grant Davidsons Alltagsbeobachtungen unterhalten und wirken tatsächlich befreiter. Das spontane Schreiben neuer Songs ohne Vorgabe, rein auf spontanen Impuls, sorgt für ein etwas anderes, nicht minder unterhaltsames Slow Leaves-Album. Tatsächlich geht „Holiday“ sofort ins Ohr und legt sich wie Balsam auf die wunde Seele des rastlosen Alltags. Davidson etabliert sich endgültig als fantastischer Songwriter mit einem Ohr für verzaubernde Gesangsmelodien und einem Auge für die wesentlichen Dinge des Lebens.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 10.09.2021
Erhältlich über: Make My Day Records
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