The Joy Formidable – Into The Blue
Zwischen dem walisischen Norden und den Untiefen Utahs schreiben sich prächtige Songs wie von selbst. The Joy Formidable verbringen ihre Zeit mittlerweile dies- und jenseits des Atlantiks. Ritzy Bryan, Rhydian Dafydd und Matthew James Thomas mögen räumlich voneinander getrennt sein – ein Erlebnis, das nicht erst durch die Pandemie befeuert wurde – finden sich mit ihrem kraftvollen Mix aus Indie und Alternative dennoch immer wieder und scheinen sich beinah blind zu verstehen. Zumindest klingt das bereits fünfte Studioalbum „Into The Blue“ nach einer Verbindung, die Grenzen mühelos einreißt.
Der eröffnende Titelsong steht stellvertretend für eine Platte, die Aufbruchsstimmung und eine gewisse Nachdenklichkeit mit hymnischer Eingängigkeit und komplexer Arrangierung kreuzt. Bryans weiche Stimme fliegt über einem energischen Arrangement, dessen knackige Gitarren vertraute Wucht ausstrahlen. Dafydds Zweitstimme kommt immer gut, der angedeutete Refrain punktet mit schroffer Härte und poppigen Untertönen. Das mag nicht neu sein, unterhält aber – siehe und höre im Anschluss „Chimes“, dessen 90s-Drive die Muskeln spielen lässt und doch eine gewisse Fragilität mitbringt.
„Somewhere New“ fällt als kurzes Intermezzo aus dem Rahmen – ein rein akustisches, folkiges Stück, dessen Idylle ein Verweis auf beide Heimaten scheint und zeigt, dass Wales und Utah maximal geographisch getrennt sind. Danach zeigt sich „Bring It To The Front“ etwas verwaschen, scheint stets vor der nächsten Energieleistung zu stehen und bemüht sich stattdessen um angriffslustige Schwere. Das erinnert im besten Sinne an die längst verblichenen JJ72. Mit dem ausufernden „Interval“, dessen kernige Harmonien sich in der XXL-Instrumentierung prima verlieren, sowie dem gleichermaßen zärtlichen und voluminösen Finale „Left Too Soon“ setzt es zwei weitere komplexe, dennoch bewegende Meisterleistungen auf dieser Platte.
Wie so oft verlangen The Joy Formidable förmlich, dass man sich auf ihren Sound kompromisslos einlässt, denn so großartig eingängig gerade die Gesangsmelodien sind, so anspruchsvoll und eigentümlich gibt sich das Drumherum. Wütende, ausufernde Gitarren, begleitet von einer Rundreise durch mehrere Alternative-Jahrzehnte sowie die konsequente Vermengung transatlantischer Einflüsse lässt auch „Into The Blue“ zum kleinen Leckerbissen reifen. Mittlerweile weiß man, was The Joy Formidable aufs Tableau bringen, geschickte Variationen und Neuinterpretationen hin oder her, und doch freut man sich immer wieder auf packende Eigenwilligkeit, die einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen will.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 20.08.2021
Erhältlich über: Hassle Records (Cargo Records)
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