IDER – shame

IDER
(c) Dani Monteiro

Megan Markwick und Lily Somerville mussten erst wieder zu sich selbst finden, um erfolgreich IDER sein zu können. Sie verließen ihre Plattenfirma und stellten sich auf eigene Beine, schrieben neue Songs zwischen Berlin und London im Angesicht der Corona-Pandemie, und bemühten sich um ein erneuertes Gefühl von Selbstakzeptanz, das auch gleich zum Leitmotiv der neuen Platte wurde. Diese heißt „shame“ und reizt die Alternative-, Indie- und Pop-Konzepte des Duos gekonnt aus, ohne dabei auf das eingängige Momentum zu verzichten.

Das eröffnende „Cross Yourself“ klingt wie ein Berliner Überbleibsel. Zunächst führen ein paar Vocal-Fragmente auf die falsche Fährte, bevor ein wuchtiger Bass einsetzt und die Club-Szene mit TripHop-Vibes paart. Das kommt gut, zumal die eröffnenden Fragmente zu einer Art Refrain der Extraklasse reifen. Am anderen Ende des Spektrums nimmt „obsessed“ jegliches Tempo heraus, spielt mit Synthie-Pop und sogar etwas RnB-Futurismus. Fünf Minuten lang schwebt der Song vor sich hin, wobei der etwas experimentellere Wurmfortsatz besonders unterhält.

Ähnlich ruhig gibt sich das abschließende „Midland’s Guilt“, das wie eine durch den elektronischen Fleischwolf gedrehte Folk-Ballade klingt. Luftige Klangflächen werden synthetisch zersetzt, der zarte Gesang erfreut sich konsequenter Entfremdung. „BORED“ bemüht sich um Kontrastprogramm mit lautem Beat, spürbarer Indie-Attitüde und so etwas wie Flow. IDER spielen mit Sprechgesang, der Chorus klingt wie post-moderne Texas. Mindestens so toll ist „Knocked Up“, das Pop-Ansätze mit nachdenklichen Abfahrten kreuzt. Die Untiefen der Seele winken kräftig.

Vielleicht etwas zu schnell vorbei, dafür mit jedem Durchlauf ein erneuter Genuss: „shame“ bestätigt das gute Debütalbum mit noch mehr Mut zum Umdenken, zur Melodieführung rund ums Eck, ohne dabei auf Eingängigkeit zu verzichten. IDER klingen noch einen Tacken vielschichtiger. Indie und Alternative schwingen vor allem im Geist mit, die Pop-Visionen werden zuweilen elektronischer und kunstvoller, fast schon mit Art- und Synth-Ausrichtung flirtend. Das braucht zunächst ein wenig Anlaufzeit, unterhält jedoch. Während man sich nach dem Opener noch wundert, wie eine komplette Berliner Platte geklungen hätte, bleibt unterm Strich ein kurzweiliger Zweitling mit aufregenden Pop-Entwürfen. Der Schritt in die Selbstständigkeit hat sich gelohnt.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 06.08.2021
Erhältlich über: IDER

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