Zement – Rohstoff

Zement
(c) Benjamin Brückner

Nach all den Jahren und Jahrzehnten bleibt die Faszination für Krautrock ungebrochen. Neue Generationen entdecken den motorisch-experimentellen Sound am Tellerrand von Psychedelic, Prog, Electro und x-weiteren Genres mit Jam-Schlagseite. Zu den krautigen Königen der Gegenwart zählen Zement. Das Duo entstammt eigentlich der DIY-Punk-Szene Würzburgs, bevor man sich auf bislang zwei Platten den langen, durchaus technoiden Visionen von Kraftwerk und Neu! zuwandte. Auf „Rohstoff“ intensivieren Christian Büdel und Philipp Hager ihre rein instrumentalen Exkurse nun gekonnt.

Wobei, ein paar seltene Vocal-Samples schleichen sich doch ein, wie im eröffnenden „Goa“. Nach und nach wird die meditative Zeile entfremdet und zum eigenen Instrument umgedeutet, während wuchtige Drums, Synths sowie zögerliche Gitarren Einzug halten. Die große Öffnung nach etwa vier Minuten streckt die Arme gen Himmel aus und bleibt doch im Feinen entspannt. Apropos Entspannung: „Kleiner 3“ hätte stellenweise das Zeug zum Ambient-Track mit seinem Saxofon und dem Vogelgezwitscher. Jazzige Schieflage und feinste Beat-Variationen, die gelegentlich komplexe Patterns freigeben, steuern sympathisch dagegen.

Zement sind dann am besten, wenn sie sich der Endlosigkeit des Seins hingeben, und „Entzücken“ perfektioniert dies. Der sukzessive Aufbau lässiger Electro-Vibes, die zeitweise nur ein paar schräge Vocals von LCD Soundsystem entfernt scheinen, führt Schritt für Schritt in eine Art Trance, sehr Jam-lastig und doch fast schon tanzbar. „Seine“ bemüht hingegen die psychedelische Dimension des eigenen Sounds mit einer lässigen Synthline, die in späteren Momenten sogar entfernt an den Man On Man-Track „Stohner“ erinnert. Das abschließende „Atem“ dreht hingegen (endlich) am Rad, verpasst dem Krautrock seine Gitarren und hetzt angenehm wild durch die Landschaft. Auch das kommt gut.

Und so lullen Zement in bestechender Perfektion mit manischer Entspannung ein. Ja, das sollte sich eigentlich ausschließen, fügt sich jedoch auf fantastische, faszinierende Weise zusammen. „Rohstoff“ ist ein Kopfhöreralbum erster Güteklasse, eine ganz eigene Form von Eskapismus zwischen Wahnsinn und Gefühl. Wiederholt entführen diese Songs in zeitlose Sphären, von jeglichen irdischen Fesseln losgelöst. Insgesamt auf der etwas elektronischeren Seite angesiedelt, unterhält die schwebende Magie mit geschicktem Weiterdenken alter Meister. Mit diesem dritten Album etablieren sich Zement endgültig als Kraut-Powerhouse.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 09.07.2021
Erhältlich über: Crazysane Records (Broken Silence)

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