Shitney Beers – Welcome To Miami

Shitney Beers
(c) Sebastian Igel

Gitarre. Gesang. Bäm. Das Singer/Songwriter-Genre kann so schön puristisch sein. Ist es das, was Maxi Haug abzieht? Als Shitney Beers nimmt die Halbkanadierin die Klampfe in die Hand und singt bezaubernde Songs mit zarter Stimme, hinter denen so viel mehr steckt, als es der erste, flüchtige Blick vermuten lässt. Popkulturell unterrepräsentierte Lebensrealitäten treffen auf einen Musiknerd, wo Inhalte deutlich wichtiger sind als Image und massenkompatibles Auftreten. Und so ist „Welcome To Miami“ eben keine absichtlich auf Hochglanz geschliffene Platte, sondern eine herrliche Zusammenstellung roher Perlen.

„Keys“ ist das Herzstück, wenngleich musikalisch recht unauffällig. Das passt allerdings wunderbar zum Thema, denn als FLINTA* kann man nach wie vor nicht zu jeder Uhrzeit in jedem Outfit rausgehen, ohne sich selbst mitunter lebensbedrohlichen Risiken auszusetzen. Hier passt das musikalische Understatement prima – bloß nicht auffallen, bloß in der Masse verschwinden. Beers‘ eindringliche Vocals sorgen dafür, dass dies nicht passiert, dass die Message klar und deutlich transportiert wird. Im Folgenden zelebriert sie den glücklichen Tod („La Mort Heureuse“), denn das ca-muss auch ab und an sein.

Ebenfalls sollte „Lourdes“ rauf und runter gehört werden. Hinter dem augenscheinlich fragilen, fast schon folkigen Track steckt eine beklemmende Geschichte über Stalking und die lähmende Angst der Opfer. Das wunderbar reduzierte „Modern Love“ geht sofort ins Ohr. Eine leicht angeschlagene Gitarre, die butterweiche Stimme der Protagonistin und ein paar angedeutete Harmonien lockern mit dem Weichzeichner gefühlt auf. Hingegen zupft „Parents“ gedankenverloren auf den Saiten und rückt das Storytelling gekonnt und gezielt in den Mittelpunkt.

Message received: Shitney Beers könnte prima das nächste Starlet mit der Gitarre sein und feenhafte, federleichte Texte schreiben. Gut, der Künstlername ist schon mal ein Giveaway, dass genau das eben nicht passieren soll. Ist auch gut so, denn nach den vier in Eigenregie veröffentlichten EPs zeigt das Debütalbum „Welcome To Miami“ die große Klasse der jungen Singer/Songwriterin mit richtig guten Songs, die herrlich reduzierte Musikalität mit starken Texten verknüpfen; ein relativ einfaches Rezept, das prima aufgeht. Diese exzellente Künstlerin muss man unbedingt im Auge (und Ohr) behalten.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 23.07.2021
Erhältlich über: Zeitstrafe (Indigo)

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