Jodi – Blue Heron

Jodi
(c) Ash Dye

Über Jahre wirkte Nick Levine immer wieder bei Pinegrove mit, wenngleich mit stark fluktuierender Häufigkeit. Nebenher entstand ein Solo-Schauplatz. Nach einer ersten EP „Karaoke“ wird nun jener Stil weiterverfolgt, den Levine (selbstgewählte Pronomen: they/them) als ‚Queer Country‘ bezeichnet. Wobei Country nur eine sehr ungefähre Beschreibung dessen ist, was Jodi auf Platte zaubert. Das Album „Blue Heron“ ist reich an Symbolik und bemüht sich darum, der Welt einen Sinn zu geben, und zugleich die Zufälligkeit des eigenen kreativen Ausdrucks fest zu umarmen.

All das kommt im Titelsong zusammen, der noch dazu als Abschluss dieser knappen halben Stunde dient. Beinahe beiläufig rollt der Song an, Jodis Stimme wirkt tief ins Arrangement eingebettet und hebt sich zunächst kaum von diesem ab, so locker und luftig sich dieses gibt. Nach und nach wird der Track lauter, unterstreicht die Instrumentierung den suchenden Gesang prima. Und im Schlussakt folgt schließlich die dezente Verschiebung in Richtung Country – alles andere als dominant, bloß wie eine Art zweiter Farbanstrich, der in sich versöhnlich wirkt.

„Go Slowly“, der zweite schön lange Song, scheint sich ebenfalls auf den Prozess zu konzentrieren. Ja, hier hört man Jodi besser, vor allem in den etwas fragileren Passagen, doch ist die locker angeschlagene Gitarre in all ihrer oberflächlichen Melancholie der tatsächliche Star des Tracks, der ebenfalls am Ende etwas anschwillt. In „Softy“ ist der Name hingegen Programm, so schwer wiegt die konsequent durchgezogene Reduktion mit feinem Folk. Davon ist im eröffnenden „Power“ rein gar nichts zu hören, denn gemeinsam mit dem lässigen, erneut mit Country flirtenden „Get Back“ bildet der Opener die kleine Indie-Achse, die im lauteren Finale von „Hawks“ Formvollendung findet.

„Blue Heron“ ist eine Platte, die sich erst beim Hören findet, die in all ihrer Leichtigkeit – wenngleich diese bestenfalls an der dünnen Oberfläche vorhanden ist – unter die Haut geht und sich unter dieser mit Bleigewichten festsetzt. Genau das ist die große Kunst von Jodi aus Chicago: Auf den ersten, sehr flüchtigen Blick unscheinbare Tracks fahren unbemerkt feinste Widerhäkchen aus, bleiben hängen und entfalten unwiderstehliche Schönheit. Nick Levines Solo-Schauplatz ist eine kleine Augen- und Ohrenweide für Geduldige.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 16.07.2021
Erhältlich über: Sooper Records (Cargo Records)

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