Graduating Life – II
Ob das Universum etwas gegen Graduating Life hat? Zunächst überwarf sich Mastermind Bart Thompson während den Aufnahmen mit einem Freund, der sich ums Tracking kümmerte, dann wurde die erste Tour des ehemaligen Soloprojekts COVID-bedingt abgebrochen. Thompson berappelte sich, söhnte sich mit seinem Kumpel aus und befand letztlich, dass sich die Musik eigentlich schon lohnt. Aus diesem Kampf zurück zum Spaß am Songwriting entstand „II“, eine abermals herrlich vielfältige Platte zwischen Emo, Pop-Punk und Alternative Rock.
„I have nothing left to lose“, befindet Mom Jeans-Gitarrist Thompson im eröffnenden „Photo Album“, und macht einfach. Der relativ gemächliche Bounce täuscht, denn nach etwas über einer Minute legt ein imaginärer Schalter einen herrlich rotzigen, bissigen Chorus offen. Der Weg dorthin ist umständlich, das Ergebnis spricht für sich. Deutlich direkter geht es im Anschluss „Fine“ an, das dezente Punk- und Emo-Einflüsse mit dicken Gitarren und sogar einer feinen Prise Post-Grunge vermengt. Spürbarer Spaß an der Musik, eine fette Portion Rock’n’Roll und ein nahezu obligatorisches Gitarrensolo als kleiner Höhepunkt wecken stellenweise Erinnerungen an Beach Slang.
Graduating Life bemühen sich mehr denn je um kleinere Experimente und denken den DIY-Ansatz viel weiter. So sucht „Black Skinny Jeans“ fünf Minuten lang nach der perfekten Melodie, schraubt dabei die Intensität etwas runter und macht einen Anti-Ohrwurm daraus. „In The Back“ versucht sich hingegen an Elektronik, die als poppiger Entwurf prima mit der entstellten Gitarre kollidiert, die einen Weg in dieses Arrangement sucht. Die großen Say Anything-Harmonien und das kuriose Storytelling von „Let’s Make A Scene“ brennen sich ebenso ein wie das große, herrlich voluminöse „Crushed & Smothered“. Hier geht es um einen verhinderten großen Rocksong, dessen Emo- und Punk-Einflüsse wiederholt das Tempo verschieben und nach etwas suchen. Im reduzierten Finale „I Wrote You This Song“ werden hingegen nackte Emotionen ausgespuckt. Auch das hat Methode.
Letztlich hat „II“ mehr von allem, um diese beliebte Floskel zu verwenden, und zielt auf neue Wege auf vertrauten Pfaden ab. So klingen Graduating Life tatsächlich wuchtiger und ruppiger, verwenden andererseits mehr Harmonien, mehr Hooks und unerwartete Momente. Die Fülle an plötzlichen Wendungen, an schroffen Gefühlsausbrüchen und dezenten Ohrwurm-Ansätzen kommt gut. Zugleich bleibt die Emo-Pop-Punk-DNA durchgehend präsent. Bart Thompsons präsentiert eine neue Platte zwischen den Stühlen DIY und Bandprojekt, gelegentlich betont unsicher und gerade deswegen irgendwie charmant.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 09.07.2021
Erhältlich über: Pure Noise Records (Membran)
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