Eliza Shaddad – The Woman You Want
Im Abspann des britischen Netflix-Thrillers „Behind Her Eyes“ ertönte eine magische, beschwörende Version des Nina Simone-Klassikers „Don’t Let Me Be Misunderstood“. Die Stimme dahinter: Eliza Shaddad, Kind einer sudanesischen Astrophysikerin und eines schottischen Diplomaten, in sieben verschiedenen Ländern aufgewachsen. Entsprechend ‚globalisiert‘ wirkt ihr Sound, der das Beste aus Indie, Pop, Rock, Folk, Singer/Songwriter und Art mitbringt. „The Woman You Want“ ist ihr zweites Studioalbum, das sich abermals auf keinen bestimmten Sound festlegen lassen will.
Das bereits bestens bekannte „Heaven“ bemüht die gitarrenlastigere Seite dieser Platte und erinnert an so vielfältige Künstler*innen wie Alanis Morissette und R.E.M. Der beinahe beiläufige Pop/Rock-Sound mit ausreichend Kante, um den Biss des Tracks zu transportieren, dazu die ausdrucksstarke Stimme und kleine, aber feine Variationen tragen den Song. Hingegen entpuppt sich „In The Morning (Grandmother Song)“ als krasses Gegenteil und wirkt wie von einem anderen Planeten. Shaddad bemüht sich um balladeskes Drama und Art-Ansätze. Die reduzierte Instrumentierung rückt diese außerordentliche, vielschichtige Stimme in den Mittelpunkt. Schnell findet man sich in einem Sog der Emotionen wieder.
„Fine & Peachy“ bemüht hingegen verschmitzte Indie-Klänge, tänzelt durchaus leichtfüßig mit einem Hauch von Folk im Unterboden, dazu mit etwas Pop-Appeal obenauf – Sheryl Crow und Lukas Nelson lassen grüßen. Das schleppende, niedergeschlagene „Now You’re Alone“ bemüht erdrückende Melancholie, flirtet mit Selbstaufgabe und lässt das Arrangement sehnsüchtige Töne anschlagen. In „Waiting Game“ kriegt Shaddads Sound eine Prise Kate Bush und Austra hinzu, aber auch etwas isländischen Einschlag. Kunterbunt, angenehm experimentell, irgendwie eingängig und strukturell doch herrlich unnahbar – ein gewiss unerwartetes, faszinierendes Herzstück dieser Platte.
Auf den ersten Blick kann „The Woman You Want“ etwas überwältigen, weil hier so viele verschiedene Faktoren, Klänge und Genres gefühlt nahtlos ineinander übergehen, sich gelegentlich sogar pointiert vermischen. Gerade das macht Eliza Shaddads zweites Album so gut. Kleine, kurzweilige Indie-Perlen treffen auf dramatische Gesten, rundherum begeistert nackte, emotionale Ehrlichkeit mit dem genau richtigen Hang zu kleineren, starken Experimenten. Shaddad bleibt ein Quell der Freude und sollte längst viel mehr als ’nur‘ ein weiterer Geheimtipp sein.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 16.07.2021
Erhältlich über: Ferryhouse Productions (Rough Trade)
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