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(c) Mehdi Benkler

Das Schweizer Festival „Les Transphoniques“ brachte Wunderstimme Emilie Zoé, (Post-)Industrial-Urgestein Franz Teichler und Schlagzeug-Tausendsassa Nicolas Pittet für eine Auftragsarbeit zusammen. Zwar kam die Pandemie der angedachten Residency in die Quere, die ausgearbeiteten Jams durften dennoch keinesfalls in einer Schublade versauern. Also rief das Trio kurzfristig /A\ ins Leben, um die verschiedenen Klangästhetiken der beteiligten Musiker*innen zu einem neuen Ganzen zu verbinden. Genau ist das ist gelungen: Schlicht „/A\“ betitelt, spottet das gemeinsame Album jeder Beschreibung und gibt einen feuchten Kehricht auf Schubladen.

„Hotel Stellar“ legt unorthodox los und beleuchtet eine von vielen Facetten. Hier widmet sich das Trio gemächlichen, fast schon zeitlupenartigen Aufbauten, die stark in Richtung Post Rock gehen. Zoés fordernde und doch angenehme Stimme wirkt wie ein roter Faden, der instrumentale Minimalismus rundherum spendet maximale Atmosphäre und lässt jede Note bis zum Maximum nachhallen. Davon ist im folgenden „Grain Sand And Mud“ nichts zu merken. Der vielleicht verträglichste Exkurs dieses Debüts spielt mit klassischen Melodien, nimmt Alternative-Rock-Synergien und sogar eine feine Prise Pop mit, während das Arrangement an Aufbruchsstimmung vorbeischrubbt. Am ehesten werden Erinnerungen an Kellermensch wach.

Und doch kratzen diese beiden Exkurse bestenfalls an der Oberfläche von /A\. Das bedrohliche, reduzierte „The Leaves“ wirkt wie eine gespenstische TripHop-Nummer, „Fire In My Fingers“ spielt mit Noise- und Industrial-Elementen, während „We Travel The Light“ ein angetäuschtes Blues-Motiv in lärmende, erdrückende Art-Gefilde entführt. „Count To Ten“ ist das Yin zu diesem krachenden Yang, ein musikalischer Hauch von Nichts mit ätherischen Vocals und zarten Harmonien. Und dann ist da noch dieser Rausschmeißer, der mit seinen behäbigen Schleifen alle Sinne raubt. Eigentlich passiert in „Our Love Is Growing“ nicht viel, doch macht gerade das Laune. Zwischen Post Rock, Doom und sogar Drone schimmern Earth in diesem ausgesprochenen Faible für Statik durch.

Was auch immer /A\ hier machen, es funktioniert hervorragend. Die Jam-Wurzeln hört man dieser Platte an, doch gerade das macht sie spannend. Hier ist kein Song wie der andere, hier lassen sich die Beteiligten einfach treiben, der nächsten Idee folgend. Entsprechend vielschichtig gestaltet sich dieser Einstand, mal elektronisch und pulsierend, dann wieder schroff und aufbrausend, schließlich zeitlos und monolithisch. Wahrlich fantastische Stimmen runden das Geschehen gekonnt ab. Nein, „/A\“ darf mit Sicherheit keine Anomalie bleiben, verlangt förmlich nach einer Fortsetzung. Dieses kunstvolle, unwahrscheinlich clevere und doch stets organische, von seinem Bauchgefühl lebende Werk ist unfassbar atemberaubend geworden.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 18.06.2021
Erhältlich über: Hummus Records / Two Gentlemen

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