Squid – Bright Green Field

Squid
(c) Holly Whitaker

Schon wieder eine neue Post-Punk-Band? Schon wieder ein Lockdown-Album? Ja, ja, und eigentlich nein. Für Squid klingt das eigentlich viel zu konventionell. Das Quintett lernte sich in Brighton beim Studieren kennen, sorgte mit diversen Singles und EPs für Furore, und packt nun einen ersten Longplayer aus. Dieser entstand unter einem gewissen Zeitdruck, da man nie mit Sicherheit wusste, welche Verschärfungen und Lockerungen wann durch den kreativen Prozess fahren würden. Somit entstand eine getriebene, aber zu keiner Zeit hektische Platte, die zugleich von Widersprüchen und paradoxen Konzepten lebt. „Bright Green Field“ klingt keinesfalls nach landschaftlicher Idylle, so viel sollte klar sein.

Squid servieren eine komplett neue Platte, die paar Singles aus dem vergangenen Jahr bleiben reine Standalones. 55 frische Minuten stiften Wahnsinn, der bevorzugt ins XXL-Format getragen wird. Ein Song wie „Narrator“ nimmt achteinhalb Minuten in Anspruch, was zu den elektronischeren Bands ihres Labels Warp Records passt. Und tatsächlich tragen manche Passagen etwas Maschinelles in sich, bringen Funk und Chaos aufs Tableau, dann aber wieder butterweiche Harmonie. Dafür ist Martha Skye Murphy verantwortlich, deren Gastbeitrag mit dem gerne mal abgedrehten Ollie Judge kollidiert. Jazzige und krautige Einschübe wecken hingegen Erinnerungen an die Contemporaries Black Midi.

Und das war nur ein einziger Song, in dem viel mehr Ideen stecken als auf ganzen Alben anderer Kollegen. Die Hibbeligkeit kommt gut, siehe und höre auch das manische „Peel St.“. Gerade in den ausgedehnten Zwischenspielen mit Kraut-Nachdenklichkeit blühen Squid auf. Dafür reißt „G.S.K.“ einfach mal alles nieder. Der Track bleibt über weite Strecken fast schon zurückhaltend, braust gelegentlich auf, und kackt am Höhepunkt einfach ab. Auch diese Sprunghaftigkeit hat Methode, das beweist unter anderem das cineastisch-tanzbare „Paddling“, ein weiteres Mahnmal oberflächlicher Hektik. Im abschließenden Deep Dive „Pamphlets“ tanzen sich Squid in einen sperrigen Rausch, begleitet von kurioser Stimmakrobatik und einem stoischen Schlagwerk. Das verwirrt und entzückt.

Alles geht drunter und drüber, die perfekte Implosion klopft an. Zu lang, zu konfus, zu sperrig, zu sprunghaft – eigentlich spricht so ziemlich alles gegen das paradoxe „Bright Green Field“. Und doch lösen sich die bewusst gesetzten Brüche, die elementaren Widersprüche mit der Zeit in kauzigen Wohlgefallen auf, blühen stille Blüten voller flammender Leidenschaft. Diese Tour de Force lässt schweißgebadet und zuckend zurück, erschlägt und verzaubert. Was auch immer im Wasser Brightons war und ist, man möchte selbst davon kosten. Squid erfüllen die Erwartungen mit einem hochgradig spannenden Debütalbum, das sich gegen alles sperrt und durch scheinbare Verweigerung erst recht glänzt. So viel Übermut kann keine Schande sein.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 07.05.2021
Erhältlich über: Warp Records (Rough Trade)

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