Citizen – Life In Your Glass World
Eigentlich bereuen Citizen nichts, auch wenn sie sich nach eigenen Angaben in manchen Momenten machtlos fühlten. Das Trio aus Toledo, Ohio wollte komplett auf eigenen Beinen stehen und den gesamten Kreativprozess vom Songwriting bis zu den Aufnahmen autark gestalten. Also baute man sich ein eigenes Studio und verlegte den gesamten Entstehungsprozess in die Heimat. Begleitet von einer deutlich beateskeren Arbeitsweise, bei der jeder Song auf einem möglichst anderen Bass-und-Schlagzeug-Korsett basiert, klingt das vierte Album „Life In Your Glass World“ angenehm anders und doch irgendwie vertraut.
Gleich zu Beginn warten zwei beschwingte, durchaus tanzbare Songs mit schroffem Unterbau – ein Zeichen für das Faible der US-Amerikaner für Biss und Wahnwitz bei aller Schönheit. „Death Dance Approximately“ zieht tatsächlich etwas auf die Tanzfläche, nur um mittendrin ein wüstes, noisiges Break anzulancieren. Von den teils wütenden Post-Hardcore-Ansätzen früherer Platten ist allerdings nichts geblieben. Stattdessen ackern Citizen frontal durch die Lande mit „I Want To Kill You“. Ja, das wirkt nicht gerade freundlich, doch der wuchtige Beat geht abermals direkt in die Beine. Hier eine ruhige Kugel zu schieben, ist nicht.
„Winter Buds“ zeigt, dass es auch komplett anders geht. Fragile, semi-balladeske Töne und gefühlvoller Indie Pop/Rock kuscheln sich an, das ruppige Gitarrensolo am Höhepunkt passt natürlich perfekt ins Bild. Das treibende „Fight Beat“ lebt vor allem von seinem gewaltigen Basslauf, der den ansonsten recht unscheinbaren, geradlinigen Track lässig nach vorne treibt. „Call Your Bluff“ bäumt sich etwas später gewaltig auf und lässt einen schmissigen, charmanten Refrain mit feinster melancholischer Note vom Stapel – und das fasst Citizen eigentlich prima zusammen, denn selbst das im Hauptteil so offensiv optimische, fröhliche „Black And Red“ taumelt rundherum am emotionalen Abgrund, den „Edge Of The World“ später sogar mit wunderbaren Uptempo-Salven thematisiert.
Die abermalige Häutung gelingt Citizen erwartungsgemäß prima und legt durch die Bank bärenstarke Songs frei – eine Spur poppiger, beatesker und mit manch einer Überraschung in der stärker betonten Omnipräsenz von Melancholie und Nachdenklichkeit. „Life In Your Glass World“ findet deutlich saftigeres Gras auf der anderen Seite, hat allerdings keinen Bock, dorthin zu spazieren. Stattdessen wird der Mix aus Indie und Alternative gleichzeitig kantiger und weicher, spielt mit Harmonie und Schwermut, begleitet vom einen oder anderen Ausflug auf die Tanzfläche. Citizen blühen abermals auf und zeigen eindrucksvoll, dass sich der Mut zur autarken Arbeitsweise absolut gelohnt hat.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 26.03.2021
Erhältlich über: Run For Cover Records (Cargo Records)
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