Timelost – Gushing Interest
Ursprünglich schickten sich Shane Handal und Grzesiek Czapla, mit ihren Hauptbands in brachialen Gefilden unterwegs, ein paar Ideen über tausende Kilometer hin und her und machten daraus Songs. Timelost entstanden aus diesem Prozess heraus, veröffentlichten im Oktober 2019 ihr grandioses Debüt „Don’t Remember Me For This“ und wuchsen plötzlich zur Band an, die sogar ein wenig tourte, zumindest bis die Pandemie ihnen ein Strich durch die Rechnung machte. Als ‚Beschäftigungstherapie‘ schrieb man einfach ein neues Album. „Gushing Interest“ ist nun über die neue Heimat Church Road Records erhältlich.
Zum Albumsbegriff darf es natürlich Definitionsfragen geben, denn bei einer Spielzeit von etwas über 25 Minuten, auf sechs Tracks verteilt, gab und gibt man sich recht sparsam. Dafür schlägt aber jeder einzelne Exkurs ein, angefangen beim Opener „Better Than Bedbugs“. Hier zeigt sich, dass der Grungegaze des Quartetts nun noch konsequenter und direkter ausfällt, zugleich keinesfalls an Hooks spart. Genüsslich grooven sich Timelost ein, der Refrain setzt sich sofort fest, das Tempo ist herrlich gemächlich und mutet beiläufig an. Ähnliches verheißt „Your Ghost Will Be Happy“, dessen bezaubernder Shoegaze-Schönklang mit kratzigen 90s-Gitarren kollidiert und sich sofort ins Kleinhirn einbrennt.
Was Timelost ebenfalls hervorragend beherrschen, ist die Überlänge. „Deep End Of The Cut“ erreicht sogar die Sechs-Minuten-Marke und lässt zwischendurch viel Raum für Atmosphäre und Reduktion. Die ruhigen Strophen weisen psychedelisch angehauchten Charakter auf, rundherum brodelt es, die Luft brennt förmlich. „T.K.O“, die zweite Monstrosität, rollt das Geschehen gemächlicher auf, etwas melancholisch, zugleich von beißender Härte und beklemmender Nachdenklichkeit begleitet. Davon will das eingängige „Alone, Clean, And Slow“ nichts wissen – mit höherem Grunge-Anteil und sogar einem Hauch von Uptempo, zugleich von idyllischer Schönheit begleitet. Da kommt der fast schon hoffnungsvolle, aufwühlende Schlussakt „Love My Way“, im Original von The Psychedelic Furs, als pulsierendes Glanzlicht gerade recht als Unterstützung.
Viel zu schnell vorbei und doch verdammt gut: Timelost klingen auf ihrem zweiten Album eine Spur fokussierter, stellen die noisigeren Exkurse mit Post-Punk-Untertönen des Debüts komplett hinten an und vertiefen stattdessen die ohnehin bereits dominante Shoegaze-Dimension ihres Sounds weiter. Schwerfällige 90s-Melancholie, plüschig-fuzzige Riffs und erdrückende Beklemmung nebst süßlicher Harmonie ergeben ein herrlich eigenwilliges Ungetüm, das nicht mehr loslässt – etwas kurz, trotzdem grandios.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 26.02.2021
Erhältlich über: Church Road Records
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