Glitterer – Life Is Not A Lesson
Ned Russin war eigentlich immer schon Glitterer. Man merkte bloß nichts davon, als er über ein Jahrzehnt mit Title Fight drei packende Alben veröffenlichte und fleißig tourte. Nach dem Verschwinden stürmte der Solo-Schauplatz ins Rampenlicht, ging auf Tour und veröffentlichte sogar ein erstes Album. Die Ernüchterung und Verzweiflung des vergangenen Jahres hält natürlich Einzug in die neue, in Eigenregie aufgenommene Platte „Life Is Not A Lesson“, was man den unverschämt eingängigen Songs zunächst jedoch nicht anhört.
Zwölf überwiegend kurze Kapitel, nie länger als zweieinhalb Minuten, frühstücken diese Platte in Rekordzeit ab. Das soll nur bedingt stören, denn selbst in verknappter Form machen Glitterer Laune. „Bodies“ eröffnet nach einem schlichten Drum-Computer-Intro mit dicken Alternative- und Post-Grunge-Gitarren, dazu wirft Russin seine kraftvolle und doch klare Stimme nonchalant ins weite Runde. „Are You Sure?“ fragt er im Anschluss mit mehr Groove, Pop und Wave-Appeal, bevor „Try Harder Still“ das Faible für Alternative Rock und Shoegaze endgültig unterstreicht. Warme bis fuzzige 90s-Gitarren, wütende Schwere und harmonischer Dauerdruck harmonieren prima miteinander.
Überhaupt ist dieser Zweitling richtig gut geworden und behält dennoch den Schlafzimmer-Charakter eines One-Man-Projekts. Für „I Made The Call“ treten die elektronischen Momente fast in den Vordergrund, wo sie sich mit den schrubbenden Gitarren und lauten Drums duellieren – klingt fast schon matschig, aber auch irgendwie schön. Das kuriose „How A Song Should Go“ bemüht hingegen monotone Elektronik im minimalistischen Gewand und lässt den Protagonisten mit sich selbst im Duett singen. Davor lauert mit „Little Backward Glance“ ein weiterer Alternative-Batzen, nun jedoch mit Strand und Leichtigkeit unterspült – kurios und zugleich sehr stimmig.
Für Erwartungen hat Ned Russin keine Zeit und flattert stattdessen durch eingängige Kuriositäten mit hohem Suchtfaktor. Die Eigentümlichkeit von „Life Is Not A Lesson“, gepaart mit der knappen Spielzeit von unter 22 Minuten, stellt zunächst vor kleine Rätsel. Ist das tatsächlich ein Album? Muss das so klingen? Ja und ja – und eben das macht den Glitterer-Zweitling so gut. Das sprichwörtliche Pferd wird von hinten ausgezäumt und erfreut sich offenkundig an der Abwechslung – eine starke 90s-Hommage mit ganz viel Liebe und Überraschungen drumherum sowie einem bedrückenden doppelten Boden.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 26.02.2021
Erhältlich über: ANTI- Records (Indigo)
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