You Me At Six – Suckapunch

You Me At Six
(c) Daniel Harris

Seit einem Jahrzehnt sind You Me At Six Dauergäste in den britischen Album-Top-10. Freilich hat sich der Sound des Quintetts mittlerweile deutlich gewandelt. Von den Anfängen zwischen Pop-Punk und Emo blieb wenig übrig, man experimentierte immer mehr und tauchte verstärkt in tanzbare Gefilde ab, ohne dabei auf Gitarren zu verzichten. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung bildet das siebte Album der Band. „Suckapunch“ ist noch elektronischer, spielt zugleich mit HipHop und RnB, bleibt dabei aber stets eine Rock-Platte. Mehr oder minder.

Ein Track wie der Opener „Nice To Me“ gibt die Richtung in vielerlei Hinsicht vor. Langsam arbeitet sich eine nervöse Gitarre durch das beateske Dickicht, dazu presst Josh Franceschi alles aus seinen Stimmbändern und scheint der steten Eskalation nahe. Schließlich setzt der Refrain ein, ein wunderbares Electro-Rock-Teil, das schnell ins Ohr geht und zugleich angenem heavy ist. Der Titelsong „SUCKAPUNCH“ macht es noch eine Spur besser und klingt wie Pendulum, wenn diese ihre Drum & Bass-Anteile für noch mehr eingängige Crossover-Magie zurückschrauben würden. Auf dem Höhepunkt bricht ein weiterer Killer-Chorus durchs Gebälk und heizt den Club an. Und zwar so ziemlich jeden Club.

Gelegentlich stützen sich You Me At Six etwas sehr auf ihr poppiges Potenzial, und so kriegt das überlange „Glasgow“ erst spät die Kurve. Die Idee einer Powerballade mit dezenten RnB-Elementen ist spannend, doch erst die zusätzliche Stadion-Rock-Kante nach vier Minuten sorgt für das gewisse Etwas. Davon will „Adrenaline“ nichts wissen und bringt ordentlich RnB-Pop in sein Electro-Rock-Korsett ein – beißt sich zunächst, blüht aber schnell auf. Wie es geht, zeigt „Beautiful Way“, ein weiterer Pop/Rock-Song mit synthetischer Schlagseite, der entfernt an das Spätwerk von Linkin Park erinnert. Selbstverständlich darf man das ein wenig abgeschmackt finden, doch eben jene filigranen Melodien brennen sich ein. Das gilt auch für das zunehmend lauter werdende, in seiner krachigen Kürze beinahe punkige „MAKEMEFEELALIVE“.

Auch wenn die Platte zum Ende hin etwas ausfranst („Finish What I Started“ ist ein weiterer Electro-Pop/Rock-Füller, der zwischen HipHop und angetrappter Ballade angesiedelte Rausschmeißer „What’s It Like“ hat sogar leichtes Nervpotenzial), ist dieses siebte Album von You Me At Six (hat sich der Bandname jetzt überholt?) doch mehr als gelungen. Was zunächst vor den Kopf stößt, brennt sich sofort ein. Natürlich klingen die Briten radiofreundlicher denn je, bloß geschieht das – bis auf die erwähnten Ausnahmen – eben auch verdammt clever und leidenschaftlich. Spannendes Songwriting, mutige Crossover-Einfälle und gigantische Hooks schlagen zu wie ein „Suckapunch“. Ja, ab und an braucht es echt furchtbare Wortspiele.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 15.01.2021
Erhältlich über: Underdog Records (Rough Trade)

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