I Am The Avalanche – Dive
I Am The Avalanche sind nicht unterzukriegen und kommen immer wieder. Ihr neues Album – das erste seit sechs Jahren – nahmen sie Mitte März auf, als COVID-19 erstmals den Großteil der USA heimsuchte. Frontmann Vinnie Caruana floh zwar nachhause, kaum dass seine Aufnahmen abgeschlossen waren, infizierte sich aber ebenso wie seine Frau. Beide waren nach mehreren bettlägerigen Wochen glücklicherweise genesen, und so nimmt so manche Zeile auf „Dive“ eine neue Bedeutung an. Dass die zu diesem Zeitpunkt bereits aufgenommenen Texte zur aktuellen Situation passen, sei dem beschissenen Status Quo zuvor geschuldet, so Caruana.
„You’re No Good To Me Dead“ sticht dahingehend alleine schon als Songtitel rein. Caruanas Schlachtruf, alles umzukrempeln, auch wenn es ihn den Rest seines Lebens kosten würde, trifft im Hier und Jetzt doppelt. Der ruppige, angepunkte Rocker mit seinen mächtigen Backings im Refrain brennt sich sofort ein. Davor lauert das kernige, bissige „Better Days“. I Am The Avalanche lassen die Muskeln spielen, reißen die Hütte mit melodischem Punk ab und lassen dennoch jene Alternative- und Heartland-Elemente erkennen, welche weite Strecken dieser neuen Platte dominieren.
Das schwerfällige, ultra-eingängige „Fake Weed“ zählt zu den Highlights, legt die Hände um den Hals und drückt fest zu – übrigens auch im übertragenen Sinn, denn der Track geht ans Gemüt. Im schleppenden Chorus übertrifft sich das Quintett aus Brooklyn selbst und liefert ein durchaus emoeskes Karriere-Highlight ab. Der Rausschmeißer „The Morning“ serviert mehr davon, arbeitet sich in blendender Schwerfälligkeit an seinem Leitmotiv ab und serviert tollen Rock aus dem alten Songbook. In aller Kürze nimmt der Titeltrack „Dive“ das Tempo raus und hofft auf Besserung, während „Tokyo“ den gesamten Dreck dieser Platte in zweieinhalb aufwühlende Minuten packt.
In unter einer halben Stunde frühstücken I Am The Avalanche ihr erstes Full-Length-Lebenszeichen seit sechs Jahren ab und machen Lust auf mehr. Weitestgehend autark erarbeitet, selbst produziert und am Anbeginn einer besonders harten Zeit aufgenommen, trägt „Dive“ unheimlich viel Wut und Schmerz, aber auch Hoffnung und Mut in sich. Die Rückkehr in bestechender Form spricht für Caruana und Konsorten, die – wie feiner Wein – richtig gut altern.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 20.11.2020
Erhältlich über: Big Scary Monsters (Membran)
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