Mammút – Ride The Fire

Mammút
(c) Saga Sig

Zum zweiten Mal singen Mammút auf Englisch. Ihr erster Versuch, „Kinder Versions“, darf gut und gerne als gelungen bezeichnet werden. Der kunstvolle und zugleich bezaubernde Ansatz brachte verdientes Lob und gleich drei Icelandic Music Awards ein. Für ihre neue, insgesamt fünfte Platte stellte das Quintett seinen Ansatz etwas auf den Kopf. Anstatt alle gemeinsam zu schreiben und aufzunehmen, verteilten sich die Arbeiten an „Ride The Fire“ auf zwei Orte – Island und London. Unter der Ägide von Vaccines-Bassist Árni Hjörvar Árnason entstand ein angenehm anderes Werk, das vermehrt auf Improvisation und Offenheit setzt.

Von den ellenlangen, in den richtigen Momenten durchaus krautigen Ansätzen des Vorgängers ist wenig geblieben. Zwar erinnert die Elektronik gelegentlich daran, so auch im charmanten „Pow Pow“, bloß wirkt der kunstvolle Ansatz für Mammút-Verhältnisse eingängiger denn je. Eine lässige, warmherzige Gitarre tänzelt über das Arrangement, gepaart mit butterweichem Gesang. Aus dieser verführerischen Lockerheit lösen sich bezaubernde Momente. Davon hat auch „Prince“ genug. Kleinere Erinnerungen an die bequeme Psychedelia von MGMT werden wach, dazu gesellen sich unorthodoxe Gesangsmelodien und das Ankämpfen gegen die Erwartbarkeit. Mit ein paar Kniffen wäre dies der perfekte Songs für Radio geworden; wie gut, dass es nicht dazu kam.

Die Isländer arbeiten sich nicht an Formatmucke ab, klingen dennoch angenehm eingängig. Ihr „Frontline“ schleppt sich schwer bis ermattet durch nölende bis bleierne Rockexkurse und sackt irgendwann, ganz unerwartet, im eigenen Fast-Flüstern zusammen. Dort wartet bereits der Opener „Sun And Me“, der den Songtitel in der Musik trägt. Sympathische bis tanzbare Leichtigkeit trifft auf ungehobelte Wucht, ein wenig Madchester mit einer gehörigen Portion Anti-Pop. Wieder ein paar Türen weiter ringt „Birds“ mit seinen ungeschliffenen Synthis, brodelt und brummt mit wachsender Begeisterung, sackt irgendwann in puristischer Eingängigkeit zusammen. Die Anlaufschwierigkeiten gehören dazu.

Mammút bleiben mit ihren neuen Songs sofort haften und könnten wohl kaum weiter von erwartbaren Radio-Spannungsbögen entfernt sein. Exakt darin liegt das Besondere von (und an) „Ride The Fire“. In zehn kurzen, beschwörenden Kapiteln öffnen sich die Isländer dem Pop weiter denn je, ohne auch nur im Entferntesten an diesen anzudocken. Der stete Widerspruch, das konstante Experimentieren, die geschickt eingeflochtene Überraschung – 40 Minuten lang lässt man sich von kleinen, oftmals betont ungeschliffenen Rohdiamanten treiben und staunt darüber, welchen unerwarteten Weg Mammút jetzt schon wieder eingeschlagen haben. Das geht gleichermaßen ans Herz und ins Ohr.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 23.10.2020
Erhältlich über: Karkari Records (Membran)

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