Greg Puciato – Child Soldier: Creator Of God
Irgendwann musste diese Platte erscheinen. 16 Jahre rackerte sich Greg Puciato mit The Dillinger Escape Plan an vorderster Mathcore-Front ab, bevor sich die Band auflöste. Neben dem All-Star-Schauplatz Killer Be Killed zeigt er mit The Black Queen zudem eine komplett andere, elektronische Seite. Nun wirft der Sänger und Multi-Instrumentalist einfach alles in einen Topf und präsentiert das Ergebnis als Soloplatte. Für „Child Soldier: Creator Of God“ spielte Puciato bis auf das Schlagzeug (hier halfen aktuelle und ehemalige Weggefährten aus) alles selbst ein und versucht erst gar nicht, sich auf einen Sound festzulegen.
Natürlich überwältigt der Blick auf die Tracklist zunächst. 15 Songs in 65 Minuten, das ist alles andere als einfache Kost. Und dann zerrt es Puciato noch dazu in verschiedenste Richtungen. „Temporary Object“ dockt beispielsweise am ehesten bei The Black Queen an und präsentiert sich als lupenreiner, butterweicher Electro-Pop-Track mit Synthwave-Untertönen. Der US-Amerikaner säuselt gar himmlisch, nur um einige Türen weiter Gift und Galle zu speien. „Roach Hiss“ hätte über weite Teile in den Dillinger-Anfangstagen funktioniert, wobei die komplexen Polyrhythmen brachialen Noise-Kaskaden mit Industrial-Untertönen weichen. Die gespenstische, etwas bravere zweite Hälfte verwirrt endgültig.
Während man sich noch über das Gehörte wundert, ist Greg Puciato längst einige Türen weiter. „Down When I’m Not“ hat über weite Strecken das Zeug zum Ohrwurm. Von einem chaotischen, überdrehten Auge des Sturms abgesehen, singt er herrlich abgehangenen zu pulsierenden Industrial-Rock-Tönen mit deutlicher Pop-Kante. Das brennt sich ebenso ein wie die Dillinger-Nachwehen des frontalen „Fire For Water“ oder das butterweiche, balladeske „Heartfree“. Das überdimensionale „Do You Need Me To Remind You?“ lässt viele Fäden zusammenlaufen. Auch hier ist die Industrial-Schlagseite bestens ausgeprägt, auch hier kollideren Hooks mit gespenstischer Intensität.
„Child Soldier: Creator Of God“ ist gewiss Musik für Grenzgänger, und das sollte angesichts des Protagonisten wohl kaum überraschen. Angesichts Puciatos musikalischer Vorgeschichte konnte man sich eine abgedrehte Platte erwarten, doch das hier aufgebotene Spiel mit den Erwartungen dürfte dennoch überraschen. Sämtliche Karrierephasen werden abgedeckt, wobei gerade die Industrial-Anteile in dieser Ausprägung etwas unerwartet kommen… und irgendwie auch nicht. Natürlich ist dieses Album überladen, natürlich ist das eine schier unüberschaubare Menge Musik, und natürlich packt Puciato beeindruckende Perlen sowie sympathische Wutproben am laufenden Band aus, die Fans sämtlicher Projekte mit wachsender Begeisterung erfüllen sollten. Wer eine weitere, hier angedeutete Facette Puciatos kennenlernen möchte: In einem Monat erscheint das ähnlich spannende, neue Werk der Supergroup Killer Be Killed.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 23.10.2020
Erhältlich über: Federal Prisoner (Membran)
Greg Puciato @ Bandcamp
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