Mother’s Cake – Cyberfunk!

Mother's Cake
(c) Camp Comfort

Wahre Größe entspringt an Skisprungschanzen – klingt komisch, trifft aber zumindest im Fall von Mother’s Cake zu. Die Bergisel-Live-Platte der drei Innsbrucker entpuppte sich als musikalisches Wunderwerk größter Ausnahmeklasse. Für den Nachfolger schaffte man sich einen echten Ideen-Pool an, wählte echte Perlen aus und entwickelte diese zu in mehreren Takes aufgenommenen Songs – so weit, so trocken. Tatsächlich ist „Cyberfunk!“ aber alles andere als das, sondern ein erstaunliches Abbild des ideal gewählten Albumtitels.

Gleich zu Beginn überschlägt sich „Toxic Brother“ beinahe. Die Tiroler legen ein hohes Tempo vor, spielen mit Garage-Klängen und einem Hauch von Punk, ohne dabei den eigenen Mikrokosmos komplett zu verlassen. Klingt wie ein Widerspruch in sich, geht aber ordentlich nach vorne. Natürlich bleibt es nicht so ruppig, denn „Love Your Smell“ wirkt wie die balladesk angehauchte Antwort auf die Strokes – lässig, durchgehangen und doch richtig schön launisch. Die Heavy-Granate „The Beetle“ drängt sich ebenso als früher Favorit auf mit seiner breitbeinigen Positionierung, den wüsten Gitarrenwänden und greifbarem Schweiß.

Letzterer Track arbeitet mit einem kleinen psychedelischen Einschub und zeigt, wohin die Reise ebenso gehen kann. „Hit On Your Girl“ schwillt zur Monstrosität an, nicht nur aufgrund der Spielzeit. Man fühlt sich an Led Zeppelin zur Mitte der 70er erinnert – überlang, ausladend, etwas abgehoben und doch eingängig. Funk, Blues und ein wenig Psychedelic Rock treffen auf ein wüstes bis wütendes Fundament. Davon ist in „Crystals In The Sky“ nichts zu spüren. Der umtriebige Rocker hört sich wie ein abgefuckter Trip an, der sich doch immer wieder in gesunde Gefilde rettet und pure Spielfreude offenbart. Danach folgt mit „I’m Your President“ funkiger Prog im XS-Format, nur ein paar Latin-Einschübe von The Mars Volta entfernt und mindestens so großartig.

Hauptsache am Rad gedreht: „Cyberfunk!“ hebt ähnlich ab wie das Bergisel-Live-Kunstwerk, wenngleich auf gänzlich andere Weise. Mother’s Cake stellen sich musikalisch breiter und offener denn je auf, schrauben die ellenlangen Psychedelic-Jams etwas zurück, ohne dabei auch nur einen Funken an Experimentierfreude zu verlieren. Tatsächlich erweist sich jeder einzelne Song als Volltreffer – sexy, heavy, intensiv, ausladended, fokussiert, knallhart und butterweich zugleich. Mehr Rock, mehr Herzblut geht kaum. Spätestens jetzt sollten Mother’s Cake alle Türen offenstehen.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 18.09.2020
Erhältlich über: Membran (Membran)

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