Elvis Perkins – Creation Myths
Was war eigentlich vor dem ersten Album? Tatsächlich schrieb Elvis Perkins bereits vor seinem Debüt „Ash Wednesday“ einige Songs, die jedoch bestensfalls als Demos oder Open-Mic-Performances überlebten. Nach einer Soundtrack-Arbeit 2017 („The Blackcoat’s Daughter“, ein Film seines älteren Bruders Oz) ergab sich ein Fenster, bevor es zurück ans Songwriting gehen sollte. Perkins kramte im Archiv, grub neun Schätze aus und nahm diese neu auf. „Creation Myths“ wirft einen Blick zurück auf die Anfänge, aufgenommen mit modernem Auge.
Der Folk-Singer/Songwriter ist in vielen dieser Episoden wieder Anfang 20, recht unerfahren in romantischen Dingen, wie er selbst zu Protokoll gibt, und singt dennoch über die Liebe in den verschiedensten Formen. Eines dieser Glanzstücke ist der Rausschmeißer „Anonymous“, eine durchaus metaphorische Abhandlung dieses Themas mit auslandender Arrangierung, stellenweise an Nick Cave erinnernd. In „Mrs. & Mr. E“ sucht er hingegen nach einer Verbindung, egal ob romantisch oder spirituell. Der gemächliche, klassische Twang zwischen Folk und Americana kommt richtig gut, der gefühlvolle Vortrag und das späte Aufblühen des Arrangements ebenso.
So ziemlich jeder Track nimmt mit fortlaufender Spieldauer ein gewisses Eigenleben an. Da wäre der Opener „Sing Sing“, ein verklärtes Stück Musik mit mystischer Verspieltheit. Perkins richtet den Blick auf die Zukunft, auf folgende Generationen, die zum Zeitpunkt der jetztigen Aufnahme wohl längst im Erwachsenenleben stehen. Konnten sie hochgesteckte Ziele und Hoffnungen erfüllen? Vergleichsweise direkt und nüchtern gibt sich hingegen „Iris“, ein verwaschenes und doch recht direktes Folk-Stück. Das angenehm doppelbödige „See Monkey“ – gleichermaßen tanzbar wie nachdenklich und fatalistisch – spielt ebenso weit vorne mit.
Elvis Perkins‘ Rückblick nach vorne macht Laune, legt er doch gleichzeitig seine musikalischen Wurzeln offen und entführt diese in für seine Karriere zeitgemäße Gefilde. „Creation Myths“ wuselt sich durch die Anfänge – teils verklärt, teils schonungslos ehrlich, stets unterhaltsam. Das weit geöffnete Archiv bietet hochgradig faszinierende, mitreißende Einblicke in das große Früher und zugleich richtig gute Songs für Jetzt und Übermorgen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 02.10.2020
Erhältlich über: MIR / Petaluma Records (Bertus)
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