Metallica And San Francisco Symphony – S&M2
Im April 1999 führten Metallica und das San Francisco Symphony Orchestra unter der Leitung des mittlerweile verstorbenen Michael Kamen zwei Welten zusammen: Klassik und Metal. „S&M“ heimste Top-Platzierung und Edelmetall weltweit ein. Zum 20. Geburtstag setzte es im vergangenen Jahr eine Neuauflage, damals auch in den Kinos zu sehen. Mit ordentlich Verspätung landet nun das Bild- und Tondokument als „S&M2“, wobei die Symphonie dieses Mal gleichberechtigt neben den Metal-Titanen im Titel steht. Und das aus gutem Grund.
Einer der Hauptkritikpunkte an der Originalauflage war die offenkundige Dominanz des Metallica-Sounds, über weite Strecken vom Orchester nur etwas begleitet. Davon ist bei diesen neuen Konzerten allerdings nichts zu merken. Los geht es, wie 1999, mit dem von der Symphonie gespielten Konzertintro „The Ecstasy Of Gold“ von Ennio Morricone sowie dem epischen, Soundtrack-artigen Instrumental „The Call Of Ktulu“. Schnell zeigt sich, dass die von Michael Tilson Thomas und Edward Outwater dirigierte Symphonie nicht einfach nur Kamens Vorlage kopierte, sondern frische Akzente setzt. Kleinere instrumentale Variationen und andere Schwerpunkte machen das zweite S&M-Erlebnis auch für Veteranen spannend.
Zudem kopierten Metallica nicht einfach nur die Playlist von vor 20 Jahren, sondern wirbelten diese durcheinander. Mit Ausnahme des Cover-Albums „Garage Inc.“ ist jede Platte vertreten. Gerade bei den jüngeren Tracks funktioniert das prächtig. „The Day That Never Comes“ blüht dank orchestraler Untermalung (das Intro fällt komplett symphonisch aus) erneut auf, das im Studio etwas unscheinbare „Confusion“ entpuppt sich als wuchtiges Epos und das den ersten Akt (sowie die erste CD) beschließende „Halo On Fire“ nimmt durchaus cineastische Dimensionen ein. Eine voluminöse Version von „The Outlaw Torn“ sowie das S&M-Exklusivstück „No Leaf Clover“ schlagen ebenso ein.
Die erste Hälfte des zweiten Akts gehört fast ausschließlich dem Orchester und macht es somit endgültig zum gleichberechtigten Partner. Zwei klassische Stücke von Prokofjew und Mossolow – letzteres mit Band-Begleitung – bereiten den Weg für „The Unforgiven III“. Nachdem es Metallica und Kamen 1999 nicht schafften, eines der beiden ersten Epen für die Symphonie umzuschreiben, sind in dieser Variante nur James Hetfield und das Orchester zu hören, Gänsehaut inklusive. Die akustische Variante des „St. Anger“-Tracks „All Within My Hands“ plus Gastsänger kommt gut, bevor Symphonie-Mitglied Scott Pingel mit einem Standup-E-Bass die Bühne betritt und Cliff Burtons legendäres Basssolo „(Anesthesia) – Pulling Teeth“ zum Besten gibt. Irgendwo nickt der erklärte Klassik-Fan in seinem Misfits-Shirt mit.
„Wherever I May Roam“ läutet die Zielgerade ein und kehrt zur klassischen Metallica-S&M-Formel zurück. Der Klassiker vom schwarzen Album wirkt unwahrscheinlich voluminös und wuchtig, etabliert sich als episches Powerhouse dieser Crossover-Verbindung. Nun geht es Schlag auf Schlag: „One“ mit verlängertem Intro und Kriegsgeräuschen von der Percussion-Abteilung breitet seine majestätischen Schwingen aus, bevor mit „Master Of Puppets“ etwas Leben in die Bude einkehrt. Hetfield singt auffällig viel, von den klassischen Call & Response-Abschnitten mit dem Publikum bleibt im Vergleich zu gängigen Live-Shows wenig. Die unverzichtbaren Eckpfeiler „Nothing Else Matters“ – insgesamt näher am Studio-Original – sowie eine dramatische Version von „Enter Sandman“ samt „The Frayed Ends Of Sanity“-Wurmfortsatz machen den sprichwörtlichen Deckel drauf.
Vielleicht fehlt der eine oder andere etwas lebhaftere, kompakte Track – man denke an „Battery“ oder „Fuel“ von der ersten Begegnung beider Welten – ansonsten darf „S&M2“ jedoch als voller Erfolg verbucht werden. Metallica und das San Francisco Symphony Orchestra gehen dieses Mal eine tatsächliche Symbiose ein, anstatt den klassischen Part abermals in die Begleitrolle zu drängen. Für manchen Metaller mag das Geschmackssache sein, rein musikalisch klingt sehr viel mindestens so gut, vielleicht sogar besser als vor zwei Jahrzehnten. Außerdem wurden sämtliche Soundprobleme aus der Kinoversion für ein homogenes, wuchtiges und klares Auftreten und Bild und Ton getilgt. Unverhofft kommt oft: Metallica vermeiden den befürchteten lauen Aufguss und zeigen sich von ihrer besten Seite.
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 28.08.2020
Erhältlich über: Blackened Recordings Inc. (Universal Music)
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