Jaga Jazzist – Pyramid
Die Art und Weise, wie Jaga Jazzist mit Gevatter Jazz umgehen, fasziniert seit mittlerweile 35 Jahren. Der Fusion-Ansatz mit experimenteller Elektronik, Post Rock, Kraut und Psychedelic verbindet Kopfkino mit kreativer Höchstleistung. Tatsächlich erfinden sich die Norweger immer wieder neu und überraschen mit frischen Ansätzen. Verkehrte „Starfire“ vor fünf Jahren das Konzept der klassischen Studioaufnahme noch ins Gegenteil, schloss man sich für „Pyramid“ zwei Wochen in einem Waldstudio ein und bemühte sich um Spontanität, ohne die Ideen übermäßiger Analyse auszusetzen.
Vier Songs in knapp 40 Minuten laden selbstverständlich zu überlangen Jams ein. Die Musik treibt das Geschehen vor sich her, mal forsch, dann wieder recht entspannt. Das eröffnende „Tomita“ gehört zunächst zu ersterer Kategorie. Mit dieser Anspielung auf den japanischen Synthesizer-Spieler Isao Tomita lassen Jaga Jazzist ein elektronisch besteuertes Wunderwerk vermuten, halten sich allerdings die längste Zeit in gemächlichen, organischen Gefilden auf. Mit einsetzendem Schlagzeug hebt der Track auf, nimmt beinahe krautige Dimensionen an und steuert auf ein gewaltiges Crescendo zu – eine der besten Kompositionen in der illustren Karriere des Oktetts.
„Spiral Era“ rückt derlei Explosivität in den Hintergrund. Hier treten die erwarteten synthetischen Elemente stärker in den Vordergrund, Bar-Feeling und Soundtrack-Atmosphäre steuern auf ein unerwartet tanzbares Finale zu. Dort lauert bereits „The Shrine“, dessen Fela Kuti’sche Afrobeat-Anspielungen einen Hauch von Big Band einbringen, unwahrscheinlich laut und schwungvoll anmuten, während in den Leerstellen fragile Gemütlichkeit dominiert. Und dann hebt „Apex“ ab, der Lautsprecher mit seinen wiederholten Eruptionen. Schroffe Gitarren, noch schroffere Synths und psychedelisch-krautige Grenzerfahrungen geben sich sympathisch hibbelig.
„Pyramid“ klingt etwas anders, aber zugleich auch nicht – das ist die große Jaga Jazzist-Kunst. Es fällt schwer, die Veränderung genau auszumachen, denn die neue Platte fügt sich harmonisch in das Gesamtwerk ein und propagiert trotzdem Aufbruchsstimmung. Wohl hat man genau das von den Norwegern erwartet. Der deutlich spontanere Ansatz kommt gut, zerrt die einzelnen Tracks in gleich mehrere Richtungen zugleich und unterhält. Jaga Jazzist bleiben eine Macht, eine Referenz, eine aufwühlende Größe.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 05.08.2020
Erhältlich über: Brainfeeder (Rough Trade)
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