Helgen – Die Bredouille
Vor drei Jahren landete es, dieses „Halb oder gar nicht“. Helgen stellten sich vor und zeigten, dass Gitarren-Pop nicht nach klassischer deutscher Indie-Schule klingen muss. Tolle Melodien, kleine Experimente und packende Texte inspirierten vertraute Vergleiche und beschritten doch neue Wege. Nun befindet sich das Trio in einer gewissen Bedrängnis. Was kann auf diesen Einstand folgen, wie kann das ach so schwere zweite Album angegangen werden? Helgen nennen das Kind beim Namen – „Die Bredouille“ – und gehen endgültig durch die Decke.
Der Titelsong eröffnet die Platte und begibt sich sogleich in eingängige Verlegenheit. Wie die Gitarren durch die Strophe flirren, wie der Refrain urplötzlich Fahrt aufnimmt und alle Euphorie in Helges klare Stimmbänder packt – unvergleichlich. Der Begriff „Bredouille“ entstammt dem beliebten Spiel Backgammon, dessen früher Name wohl „Trick Track“ war, und so heißt auch ein fluffiges, verspieltes Instrumentalstück in der zweiten Hälfte. Danach kommt, natürlich, „Tik Tak“ mit seinem lockeren Bounce, einer gewissen verhaltenen Tanzbarkeit und feiner Gitarrenakrobatik, die in den Zwischenspielen durchaus Math-Energie in den smoothen Indie-Pop-Kosmos einbringt.
Während man sich noch über diese eigentümliche Zusammensetzung wundert, sind Helgen längst ein paar Türe weiter. „Wie gut, dass du spinnst“, ein wunderbares Pladöyer für den verloren gehenden Individualismus, spielt mit Slowgaze und Post Rock, federnd und episch angelegt. Ein paar zwingendere, rockige Tracks finden sich zwischendurch ein und lockern das Geschehen auf. „Dumme Ideen“ verlangt förmlich nach Bewegung, gibt sich hibbelig, wippt scheinbar ununterbrochen auf und ab, wirft dazu einen großartigen Refrain ab. Einen solchen hat auch „Die Geigenzähler geigen“, dessen tiefenentspannter Sound irgendwo mit Klaxons und Everything Everything anbandelt. „Woran hat es gelegen“, fragen Helgen im Anschluss. Eigentlich egal, das Gefühlszentrum ist bereits getroffen.
Tatsächlich bietet „Die Bredouille“ mehr von allem, wirkt größer und lebendiger als sein bereits packender Vorgänger. Gerade der ohnehin etwas andere Gitarrenpop-Ansatz, der durchaus britische und nordamerikanische Vergleiche mit sich zieht, weiß zu begeistern. Synthetische Einfälle auf Gitarrenbasis, epische Leisetreterei und smoothe Operateure treffen sich zum Reigen der understateten Grandezza. Falls sie es bislang noch nicht gewesen sein sollen, dann eben jetzt: Helgen sind angekommen mit einer der bisher besten Platte des Jahres. Und wie.
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 07.08.2020
Erhältlich über: Chateau Lala (Broken Silence)
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