Sammy Brue – Crash Test Kid
Darf man einen 19jährigen ungestraft als Wunderkind bezeichnen oder gibt das Aua? Sammy Brue dürfte das ziemlich egal sein. Der junge Amerikaner veröffentlichte sein Debütalbum, als er noch zur High School ging, und tourte zuletzt mit Michael Kiwanuka und der Marcus King Band um die Welt. Nun landet der Americana-, Folk- und Alternative-Hoffnungsträger mit seiner zweiten Platte. „Crash Test Kid“ befasst sich mit der, wie Brue es nennt, „Scheiße“, die alle weltweit durchmachen müssen, und plädiert für die Übernahme durch eine neue, junge Generation.
Ist dieses Aufbegehren bloß eine Form von „Teenage Mayhem“? Brue drängt sich frech samt nasaler Stimme in den Vordergrund, packt eine Art Folk-Punk-Arrangement aus und feuert den Nachwuchs an. Dabei klingt er abwechselnd wie Jamie T und Jack White, leidenschaftlich und forsch. Im direkten Anschluss folgt das Kontrastprogramm, denn „True Believer“ nimmt das Tempo komplett heraus und wirkt wie eine Americana-Ballade, die erst spät etwas durchstartet. Diese musikalischen Gräben, diese emotionalen Kämpfe zwischen Tag und Nacht sind Pflicht für Brue, es gibt eben nicht nur den einen, einzigen Gemütszustand.
Langeweile gibt’s also nicht, denn der junge Protagonist häutet sich gleich mehrfach. Das angenehm abgewrackte „Skatepark Doomsday Blues“ ist genau das, ein schwerer Blues-Rocker mit dreckiger Attitüde und wütendem Aufbegehren – Revolution mit Frust im Angesicht der Apokalypse, wenn man so will. Im Opener „Gravity“ will Brue hingegen abheben, bleibt aber dennoch fest am Boden, begleitet von charmanten Folk-Tönen. Das Doppel „Megawatt“ und „Fishfoot“ strotzt hingegen geradezu vor Elan, gibt sich ungemütlich und doch eingängig. Der US-Amerikaner spuckt seine Verse förmlich aus, veführt zu Singalongs und enteilt dabei allen. Im Gegensatz dazu wirkt der ruhige, beinahe meditative Abschluss „Paint It Blue“ nett und lieblich, passt auf gewisse Weise dennoch perfekt zu dieser Platte.
Die wiederholte Häutung des Sammy Brue unterhält. Zwischen urtypischer Americana-Tradition und rauen, rotzigen Brit-Ansätzen entwickelt „Crash Test Kid“ schnell eine gewisse Eigendynamik und lässt sich keineswegs auf einen bestimmten Sound, auf ein Genre festnageln. Nachdenkliche, emotional aufgeladene Folk-Songs gehören ebenso zu seinem Œuvre wie schnelle, forsche Tracks mit punkigen Untertönen. Brue nimmt sich alle Zeit der Welt für Experimente und schreibt dabei starke Songs. Dass der Typ noch keine 20 ist, verwundert und beeindruckt am laufenden Band.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 12.06.2020
Erhältlich über: New West Records / PIAS (Rough Trade)
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