Owen – The Avalanche

Owen
(c) Chris Strong

Seitdem American Football durch die Decke gingen, hat Mike Kinsella vergleichsweise wenig Zeit für seine anderen Schauplätze. Das betrifft vor allem das Soloprojekt Owen, wo bislang neun Alben zwischen Indie-Klängen und fragilen Singer/Songwriter-Sounds mit Lo-Fi-Ansatz erschienen waren. Gemeinsam mit Produzent Sean Carey (Bon Iver, Peter Gabriel) und Engineer Zach Hanson (The Tallest Man On Earth, Waxahatchee) zog er sich in ein Studio in Eau Claire, Wisconsin züruck. Von äußeren Einflüssen unbeeindruckt und ungestört, entwickelten sich deutlich detailliertere Arrangements und direkteres Songwriting als zuletzt. Passenderweise rollt „The Avalanche“ wie eine emotionale Lawine an.

Funkelnde, optimische Exkurse wie „On With The Snow“ sind auf diesem ingesamt etwas schweren Album eine Seltenheit und gerade deswegen als Auflockerung willkommen. Das locker-flockige Songgebilde wächst mit seinen feinsinnigen Spuren, dem durchaus zwingenden Rhythmus und der gekonnt fließenden Melodieführung immer weiter, erinnert zuweilen an Death Cab For Cutie und packt so manche pulsierende Drumsalve aus. „I Should’ve Known“ ist wohl das krasse Gegenteil, ein weitestgehend auf das Wesentliche reduzierter Track mit folkiger Note, verspielter Fragilität und brachliegender Gefühlswelt.

Kinsella verliert sich bevorzugt in ellenlangen Arrangements und entlockt guten Ideen ein erstaunliches Maximum. So widmet sich der Opener „A New Muse“ eigentlich einer schlichten Idee, wirkt abwechselnd sprunghaft und niedergeschlagen, paart Pop-Kaleidoskop-Höhen mit Singer/Songwriter-Niedergeschlagenheit. Das erinnert schon mal ein wenig an reduzierte Elbow oder Doves. Das aufwühlende „Mom And Dead“ holt hingegen kräftig aus und liefert einen vernichtenden Schlag ins emotionale Zentrum, von einer Art mäandernden Elegie der katastrophalen Schönheit begleitet. Wie der Rausschmeißer „I Go, Ego“ aufblüht und sogar mit Post Rock und Americana kokettiert, ist nicht minder spektakulär.

Der Name ist Programm: „The Avalanche“ begräbt unter durchaus widersprüchlichen Emotionen und bezieht eindrucksvolle Energie aus dem gelebten Zwiespalt. Kinsella führt sich hörbar hin- und hergerissen, und verpackt diese Gefühlsregungen in packende, gekonnt ausladende Songs. Zermalmende Schwermut und zarte Hoffnung erzeugen packende Momente am laufenden Band und zeigen einmal mehr, warum Owen ein so langlebiges und nach wie vor packendes Projekt ist.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 19.06.2020
Erhältlich über: Big Scary Monsters (Membran)

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