XTR Human – Interior
Eile wird überbewertet, und so ließen sich XTR Human nach ihrem Debütalbum „Atavism“ ordentlich Zeit. Die drei Wahl-Berliner tourten in den sechs Jahren seither fleißig und veröffentlichten eine packende EP, ansonsten hielt man sich mit Grüßen aus dem Studio zurück. Neue Ideen, neue Songs mussten erst reifen, und genau das ist jetzt passiert. „Interior“ dreht sich um Reflektion, um Zerrissenheit und Entfremdung. Dem düster-euphorischen Sound zwischen Post Punk, Indie Rock, Wave und Shoegaze bekommt das prima.
Schönheiten finden sich auf diesem Zweitling zuhauf, und „Masks Of Faith“ überstrahlt sie wohl alle. In diesen vier Minuten findet alles, was die drei Herren aus der Hauptstadt ausmacht, packend zusammen. Beklemmende Düsternis, der rohe und doch warmherzige Gitarrensound, die post-romantische Sinnsuche und bleierne Schwere… und dann, nach ca. zweieinhalb Minuten, stellt eine Zäsur die Zeichen auf Sturm. Plötzlich blüht der Track auf, erinnert an wave-poppige Interpol und tritt einen großartigen Refrain vom Stapel. Die finale Minute dieses ohnehin bereits packenden Songs alleine ist den Albumkauf bereits wert.
Sind XTR Human also One-Trick-Ponies? Mitnichten, denn auch der Rest der Platte kann einiges. „With A Smile“ eröffnet mit bekömmlicher Düsternis, verspielter Gitarrenmelodik und angenehmer Finster-Synthese, „Hearst“ nimmt ein wenig The Strokes und MGMT (ja, diese Kombination funktioniert prima!) mit, während „Darkest Side“ mit hibbeligem Post-Punk-Bounce spielt. Der ausladende Düster-Rocker „On Miracles“ entblättert sich im Zeitlupentempo und auf Raten, schrammelt sich zum Glück und trifft irgendwo auf die fantastische, ganz unvermittelt auftretende Überhook von „New Dawn“.
Langsam, aber sicher versenkt „Interior“ seine Krallen und lässt nicht los. Natürlich überstrahlt das packende „Masks Of Faith“ weite Teile des Albums, doch in der vermeintlichen zweiten Reihe, die nun wirklich alles andere als das ist, stecken zahlreiche kleine und große Perlen, charmante Pop-Momente, treibende Indie-Ausritte und bekömmliche Düsternis. XTR Human spielten oberflächlich auf Zeit und nahmen sich letztlich doch bloß selbige, um ihre Musik reifen zu lassen. Das macht sich hörbar bezahlt auf diesem begeisternden Zweitling.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 29.05.2020
Erhältlich über: Blackjack Illuminist Records / No Emb Blanc
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