Meanwhile Project Ltd – Marseille
Vom Soloprojekt zur Band – das hört man doch recht oft. So liest sich auch die Kurzgeschichte von Meanwhile Project Ltd, wobei die Kölner zumindest im Studio weiterhin als Duo unterwegs sind und den Schritt zum erweiterten Line-up erst auf der Bühne vollziehen. Sei es, wie es sei, auch mit zwei Personen lässt sich ordentlich Lärm zwischen feinen Emotionen machen. Marcell Birreck und Marcus Adam, die bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten zusammen musizieren, widmen sich einer Mischung aus Alternative, Indie, Post Rock, Americana und Singer/Songwriter, durchaus bewegend und doch in den richtigen Momenten verschroben. „Marseille“ ist ihr zweites Album unter diesem Namen.
Kauzig und doch eingängig – die Mischung auf dieser neuen Platte ist also im besten Sinne eigentümlich, bleibt aber irgendwie hängen. „Selina“ macht vor, wie es geht, mit seinen gelegentlich schroffen Gitarren und den butterweichen, dennoch treibenden Gesangspassagen zwischendurch. Das erinnert entfernt an die längst verblichenen Ambulance Ltd, nicht nur aufgrund des Business-Kürzels. „Idols Shaking Hands“ bemüht hingegen großes Drama und Noir-Flair, ein klein wenig mit Krief flirtend. Anhaltende Schwere macht sich breit, wenn sich das Duo zum Schluss in einen wahren Rausch spielt.
Überhaupt gelingt es diesem Album in Vinyl-Ideallänge perfekt, das Geschehen voranzutreiben, ohne sich auch nur im Geringsten zu verausgaben. Bei aller Schwere wirken die Arrangements leichtfüßig und steuern wunderbar von Höhepunkt zu Höhepunkt. Wie „Golden Sunrise“ immer weiter anschwillt und schließlich überschäumt, wie der Opener „Marseille“ Sgt. Pepper salutiert, wie „Lost On Demand“ ruhigere Fury In The Slaughterhouse mitnimmt und dabei einen durchaus radiofreundlichen Refrain aus dem Ärmel schüttelt – mehr als unterhaltsam. Zum Abschluss packt das Meanwhile Project Ltd „Ghost With A Toy“ aus, irgendwo zwischen Power-Ballade und poppig-kunstvollem Post Rock gefangen. Geradezu bewegend häutet sich der Exkurs gleich mehrfach und legt kunstvolle Klangschichten frei – ein Happening für sich.
Der Weg ist das Ziel von „Marseille“, denn wohin die Reise führen soll, ist eigentlich nie eindeutig. Stattdessen lassen sich die einzelnen Songs treiben und arbeiten mit behutsamer Vorsicht, die gerne mal in pure Spielfreude umschlägt. Der wilde Mix mit Post-Rock-Aufbau kommt gut, die Kombination aus emotionaler Häutung und vorsichtig krachendem Aufbau macht ebenso Laune. Meanwhile Project Ltd ziehen verschiedene Ideen zusammen und formen kurzweilige Tracks aus diesen, angenehm anspruchsvoll und doch unverschämt eingängig. Die Präsentation wirkt im besten Sinne ungewöhnlich, kommt aber vielleicht gerade deswegen so fantastisch. Was anfangs etwas eigentümlich klingt, blüht förmlich auf und will genussvoll verzehrt werden. Anders gesagt: eine von vorne bis hinten packende Erfahrung.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 17.04.2020
Erhältlich über: Kapitän Platte (Cargo Records)
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