Hilary Woods – Birthmarks

Hilary Woods
(c) Joshua Wright

Vor 20 Jahren stand Hilary Woods in den Top 20 der britischen Albumcharts und hatte drei weitere Singles in den Top 30. Damals war sie Bassistin der irischen Alternative-Rock-Hoffnungsträger JJ72, legte zwei Alben hin, stieg 2003 aus und widmete sich ihren Studien der feinen Künste. Nach einer langen Auszeit mittlerweile als Solokünstlerin unterwegs, widmet sich Woods nun Wave-, Electro- und Drone-Sounds, die mit den Klängen ihrer Jugend nichts zu tun haben. Ihr aktuelles Album „Birthmarks“ nahm sie hochschwanger auf, zwischen Galway und Oslo pendelnd, das eigene Selbst und das Konzept des Wachstums erkundend.

Donnerhall, Drone und eine gleichermaßen helle wie beschwörende Vocals machen sich breit. Die ersten Töne des Openers „Tongues Of Wild Boar“ schallen durch das weite Rund, Woods lässt den Track gemächlich anrollen. Behäbig schleppen sich die knapp vier Minuten voran, lassen zwischendurch ein paar Art-Pop-Elemente in semi-eingängige Gefilde tragen, ein Cello sägt. Von derlei Bedrohlichkeit ist im folgenden „Orange Tree“ nichts zu hören. Soundtrack-artiger Minimalismus schwebt federleicht über den Dingen, von fragenden Vocals begleitet. Avantgardistischer Schönklang legt eine weitere Facette dieser Platte offen.

So nett und zugänglich bleibt es allerdings nicht. Woods liebt das schroffe Sperrfeuer, das Meditieren über kantigen Samples und unbequemen Klangbögen. So passiert in „Mud And Stones“ herzlich wenig, und doch wirkt das Geschehen verstörend. „The Mouth“ legt schließlich ein paar Gänge zu, widmet sich gelegentlichen Noise-Kaskaden und holt den Donnerhalt zurück. Davon ist in „Through The Dark, Love“ wenig zu hören. Woods‘ Ansatz scheint beinahe klassischer Natur zu sein, bevor schließlich in „Cleansing Ritual“ alles gen Drone und Industrial umschlägt.

„Birthmarks“ entpuppt sich als komplexes Werk verschiedenster Stimmungen, das in seiner Unberechenbarkeit bewegt. Wütende Kaskaden und chaotische Eruptionen treffen auf zarte Abhandlungen, zähe Drone-Schleifen kollidieren mit klassischem Minimalismus. Hilary Woods thront – abgeklärt und doch leidenschaftlich – über dem Geschehen, wirkt stimmlich entspannt und in sich ruhend, doch in der Künstlerin brodelt es hörbar. An dieser Grenzerfahrung zwischen Sein und Schein kann man sich nicht so schnell satt hören – ein beeindruckender Zweitling einer beeindruckend wandlungsfähigen Künstlerin.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 13.03.2020
Erhältlich über: Sacred Bones Records (Cargo Records)

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