Bored Man Overboard – Home

Bored Man Overboard
(c) Hamon Moravejzadeh

Vor neun Jahren veröffentlichten Bored Man Overboard ihr Debütalbum „Rogue“. Die Schweden schienen prädestiniert dafür, in große Indie-Fußstapfen zu treten, von Referenzen wie The National und Arcade Fire war die Rede. Nach drei Touren durch ganz Europa verabschiedete man sich im Folgejahr, man ging „on hiatus“, wie so viele Bands ihre Pausen auf unbestimmte Zeit nennen. Tatsächlich arbeiteten die sieben Musiker im Hintergrund daran, ihren Sound zu verfeinern, und hatten im Sommer vergangenen Jahres tatsächlich ihr Comeback-Album fertiggestellt. Besagtes „Home“ erscheint nun und distanziert sich kräftig vom Einstand.

Das Gute daran ist das Gute darin – klingt wie ein Werbespruch (ist auch einer), passt aber wie Arsch auf Eimer für diese Platte. Post Rock, Alternative und Shoegaze zählen nun zu den wichtigsten Eckpfeilern des Septetts, von Indie und Folk ist nur noch wenig zu hören. Der grandiose Opener „A Sigh, I Shiver“ macht’s in fünf Minuten vor und hangelt sich von erhabenen, beinahe sakralen Momenten mit Piano, Gesang und Hall zu einer überlebensgroßen Distortion-Fanfare der schroffen und doch heimeligen Art. Hier trifft der kauzige Charme von The Twilight Sad auf warmherzigen Fuzz, bevor „Darling“ mit seinen schrammelnden Gitarren endgültig durch die Decke geht. Eigentlich passiert hier nicht viel, das Grundmotiv ist scheinbar omnipräsent, und doch macht die schroffe Dichte des Exkurses unheimlich viel her. Nicht zum letzten Mal schielen die Schweden dezent gen Post Punk.

Experimentelles setzt es zuhauf, wenngleich prima in den konstanten Fluss des Albums eingebunden. So sticht ein „On The 611“ – sechs meditative, minimalistische Minuten mit dezentem Ambient-Einschlag – für sich betrachtet heraus, die brodelnde Introspektive ist aber mindestens so unterhaltsam wie das launische, schwerfällige „Wither“ oder das fieberhafte „Spring Morning“. Letzterer Track flirtet kurzzeitig mit einer Prise Noir, bevor er sich mit schneidenden Gitarren selbst zerlegt. Und dann wäre da noch das luftige „Holidays“, an manchen Stellen der Hauch einer Verbindung zum Debüt, mit seinen Streichern und der flirrenden Melodie dennoch tief im Hier und Jetzt verankert.

Bored Man Overboard stellen ihren Sound mal eben auf den Kopf. Das hat, gerade angesichts der langen Pause, fast schon etwas von einem kompletten Neuanfang, zumal nur selten echte Erinnerungen an das seelige Debüt „Rogue“ aufflammen. Somit steht „Home“ für sich alleine auf weiter Flur mit offenen Klangflächen, nachdenklicher Reflektion und stellenweiser Sinnsuche auf frontaler Ebene. Die Schweden melden sich mit starkem Tobak und ungeschliffener Schönheit zurück. Bewusst gesetzte Leerstellen wollen vom Hörer gefüllt werden und lassen kurzweilige Was-wäre-wenn-Fragen für eine möglicherweise berauschende musikalische Zukunft zu. Auf dass es diese tatsächlich geben mag.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 29.02.2020
Erhältlich über: Svart Kaffe Records

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