Underworld – Drift Series 1

Underworld
(c) Rob Baker Ashton

Auch nach ca. 40 Jahren werden Underworld nicht müde, frische Akzente zu setzen. Die britischen Techno- und Electro-Päpste starteten im Herbst 2018 ihr „Drift“-Projekt, eine multimediale Rundreise aus wöchentlichen Film-, Text- und Videoepisoden, begleitet von neuer Musik und unveröffentlichtem Material. Nach 52 Wochen steht nun „Drift Series 1“ in den Läden – als komplettes Boxset auf sieben CDs und einer Blu-ray oder als Sampler-Ausgabe mit ausgewählten Highlights. Gerade für Komplettisten sollte die ausführliche Version aber Pflicht sein.

Schnell wird klar: So groß die stilistische Pluralität im Verlauf der Underworld’schen Karriere auch war, noch nie wurde diese so effektiv auf Platte gebannt. Die ersten fünf CDs widmen sich den fünf „Drift“-Episoden. Highlights wären schnell gefunden, darunter das 14minütige Mash-up „Another Silent Way / Drift Poem / Better Than Diamonds“. Wie diese schroffen Exzerpte ineinandergreifen, von einem kurzen Spoken-Word-Part unterbrochen, kommt gut. Immer wieder übernimmt Karl Hyde die Führung, von wilden Synths und kernigen Beats angetrieben – das hätte auch auf „Beaucoup Fish“ prima funktioniert.

Underworld können aber auch deutlich ruhiger und flirten stärker denn je mit Ambient-artigen Sounds. Der Film Edit von „Appleshine“ wirkt über weite Strecken tiefenentspannt, von „Dune“ noch weiter intensiviert. Hier setzen sich sogar dezente Jazz-Vibes fest, welche unter anderem im schrägen „Poet Cat“ und dem kurios entfremdeten „Hundred Weight Hammer“ erneut aufflammen. Natürlich finden sich auch genügend große, technoide Momente auf dieser Sammlung. „Listen To Their No“ klingt nach einem überkochenden Club und brennt sich sofort ein, „Two Arrows“ verwirrt im besten Sinne und „This Must Be Drum Street“ bringt ein wenig 90s-Revivalism ein.

Damit kratzt man aber bestenfalls an der Oberfläche – die DJ-Aufzählung von „S T A R“, vom Ibiza-Hopeful „Doscientos“ grandios ad absurdum geführt, das zart mäandernde „Brilliant Yes That Would Be“ oder die komplette sechste Dub-CD mit The Necks gäbe es auch noch. Dazu kommt die Sampler-Variante als siebte CD, das Multimedia-Erlebnis, digitale Zusatzinhalte… kurzum, selten waren Underworld so kreativ und so musikgewaltig wie heute. Kaum zu glauben, dass sich die beiden Herren bereits in ihren 60ern befinden. Das „Drift“-Projekt geht nun sogar in die zweite Runde. Nach dieser Underworld’schen Meisterleistung im x-ten Karrierefrühling darf man mehr als gespannt auf die Fortsetzung sein.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 01.11.2019
Erhältlich über: Caroline (Universal Music)

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