Brother Grimm – On Flatland, On Sand

Brother Grimm
(c) Joe Dilworth

Der brüderliche Märchenerzähler lädt zur nächsten Audienz. Vor knapp zwei Jahren versperrte sich „Home Today, Gone Tomorrow“ jeglichen Kategorisierungsversuchen. Die ruppigen, experimentellen Blues-Exkurse, von x Untertönen gekonnt entstellt, tauchten Brother Grimm in gleißendes Licht als neuer Stern am Noir-Storytelling-Himmel, von schummrigem Nebel begleitet. Für den Nachfolger „On Flatland, On Sand“ kündigen sich Veränderungen an. Der Sound wirkt eine Spur bunter und lichter, wagt noch mehr, wird lauter und kauziger. Und über allem thront der sympathische Quasi-Outlaw.

Laut, beinahe stürmisch legt „Broken Glass“ los, zieht sofort in media res. Grimm spuckt seine Verse förmlich aus und erinnert abermals an Nick Cave, bevor der erste von vielen Brüchen den Song erschüttert. Kleinere Zäsuren geben dem Track Post-Blues-Noise-Something-Charakter und steuern schließlich auf ein instrumental anspruchsvolles Finale mit konstantem Aufbau zu einer angenehm anti-klimaktischen Verpuffung. „Who’s Calling“ drückt sich hingegen in verwaschene Gefilde und erinnert mit seinem wüsten Ansatz an Hodja, deren Tenboi Levinson Teil von Brother Grimms Live-Band sein wird.

Deutlich mehr Ruhe und Nachdenklichkeit kehren zumindest auf musikalischer Ebene ein. Wie „The Ocean“ anrollt und in vergleichsweise sachten Gefilden verharrt, einzig durch dezent ruppiger werdende Schleifen unterstützt, erinnert angenehm an Sigur Rós. Überhaupt spielt Post Rock, als Behelfsbegriff, eine zentrale Rolle auf diesem dritten Studioalbum. Wie der neunminütige Rausschmeißer „Chicories And Crown Antlers“ auf sein in sich ruhendes, zwischen Jazz und Anti-Drone operierendes Leitmotiv beharrt, verstört und verwirrt im besten Sinne. Der wüste, direkte Blues Rock von „The Smell Of Cheap Perfume“ kommt da zwischenzeitlich gerade recht, um Luft zu holen.

„On Flatland, On Sand“ ist anti ohne Zwang und bricht das Geschehen der letzten Platte gekonnt auf. Verhalten lichte Momente treffen auf zunehmend ausladende Arrangierung, zumindest bis der nächste noisige Blues-Punker übellaunig dazwischenfährt. Der Fluss des neuen Albums stellt sich auf Raten ein, Brother Grimm mag es schon mal unnahbar und sperrig, nur um wenige Sekunden später sanft in den Armen zu wiegen. Abermals lässt sich nicht immer genau sagen, was passiert, doch fühlt man sich in diesem konstanten Unwissen wohl. Raffiniertes Storytelling und unnahbare Präsenz sorgen für den nächsten kleinen Überflieger für Schubladenverweigerer.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 08.11.2019
Erhältlich über: Noisolution (Soulfood Music)

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