City And Colour – A Pill For Loneliness

City And Colour
(c) Renee Rodenkirchen

Vor einiger Zeit las Dallas Green von einer experimentellen Studie. Durch Zugabe eines Hormons in Tablettenform sollten Gefühle der Einsamkeit reduzieren werden. Von derlei Ambitionen hält der kanadische Enddreißiger herzlich wenig und erklärte die verschiedensten Formen des Alleineseins – gewollt wie ungewollt – zum Konzept für seine neue City And Colour-Platte. Diese kommt zu einem überaus interessanten Zeitpunkt, denn nach mehrjähriger Pause hat sich Greens eigentliche Hauptband Alexisonfire wieder zusammengefunden. Auf den Sound von „A Pill For Loneliness“ hatte das natürlich keine Auswirkungen.

Einsamkeit nimmt in interstellaren Sphären eine zentrale Rolle ein. „Astronaut“ arbeit sich zärtlich an dieses Thema heran. Greens Schmelz, mit Harmonien gepaart, überrascht mit Folk- und Americana-Untertönen, erst dann setzen die Instrumente ein. Im Nu entwickelt sich eine manische, stellenweise überraschend laute Tour de Force aus diesem Ansatz, wie man sie von Doves oder Elbow erwarten würde – ein grandioser Exkurs mit perfekt portioniertem Pathos. Wieder auf irdischen Sphären angekommen, wechselt „Me And The Moonlight“ die Sichtweise und baut auf einen Sprung ins Nichts vor. Die erhoffte Auflösung fehlt, aber das tut nicht weiter weh.

Großartige Songs hat „A Pill For Loneliness“ zuhauf, und „Strangers“ gilt nicht umsonst als Hit dieses Albums. Vier abermals verhältnismäßig schroffe Minuten mit eindringlichem Gesang und kantiger Gitarre tragen gen emotionale Abgründe, nur um aus der Düsternis einen dünnen Schimmer der Hoffnung in den Chorus zu pumpen. Von derlei Umwegen hält der Opener „Living In Lightning“ nichts. Indie Pop mit ein wenig Aufbruchsstimmung und ganz feiner Klinge führt sukzessive in eine Platte ein, die von einer nachdenklichen Piano-Ballade abgerundet wird: „Lay Me Down“ reduziert den Sound von City And Colour zunächst auf ein Minimum, nur um in den letzten Minuten gekonnt anzuwachsen.

Kleine Melodien und große Gefühle geben sich die Klinke in die Hand. Der Bandsound bekommt City And Colour gut, das stete Hinarbeiten auf den erhabenen Moment sowieso. Eine Pluralität an Stimmungen, musikalisch und lyrisch gekonnt ausgedrückt, vergegenwärtigen die Vielschichtigkeit der Einsamkeit. „A Pill For Loneliness“ kommt ohne chemische Beigaben aus und blüht in Raten auf, passt prima zum bisherigen Schaffen. Dallas Green bewegt sich auf gewohnt hohem Niveau und lässt die nächsten Schritte mit Spannung erwarten. Brennt Alex wirklich wieder?

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 04.10.2019
Erhältlich über: Still Records / Dine Alone Records (Membran)

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