Kaptain Kaizen – Alles und nichts
Deutschsprachige Punk-Musik war selten so bunt und vielfältig wie heute. Das liegt vor allem an einer Vielzahl von Subgenres und kuriosen bis komplexen Mischungsverhältnissen mit durchaus unerwarteten Auswüchsen. Kaptain Kaizen bringen eine ordentliche Portion Emo mit an Bord. Das gebürtig aus dem Saarland stammende und mittlerweile in Mannheim ansässige Quartett kann bereits auf zwei gutklassige Alben zurückblicken. Nun bei This Charming Man unter Vertrag, erreicht „Alles und nichts“ neue Sphären.
Gerade Fans von Lyvten und Freiburg dürften Freude an den sperrigen Tracks der Kapitäne finden. Ihre zwischen Gedankenstrom und Sozialkritik gehaltenen Texte legen gleich mehrere Finger in die Wunde und wettern mit wachsender Begeisterung gegen Rechtsextremismus, die Musik gibt sich so und so die Kante. Ein „Kein Bock“ hangelt sich von unbequemer Gemütlichkeit zum bissigen Vollsprint und verdichtet die Atmosphäre zum Ende hin mit schroffen Bassläufen und kaputtem Pogo. Das Sperrfeuer von „Krapotke“ trifft ebenfalls ins Ziel. Mit einer flirrenden Gitarre und Songwriting-Nüchternheit bewaffnet, ergibt sich ein fieses Westentaschen-Monster mit großartigen Drumsalven.
„Messer“ gräbt ein eben solches in Zeitlupentempo durch sämtliche Hautschichten und verstört im besten Sinne. Von der verzweifelten Mischung aus beinahe gesprochenem Gesang und wütenden Schreien bis zu mit Post Punk flirtenden Riffs stimmt eigentlich alles. „Konstrukt“ fällt hingegen mit der Tür ins Haus. Der furiose Opener hat keine Zeit zu verlieren, erhebt sich geradezu monströs und gibt sich bewusst schief. In der zweiten Hälfte wird es sogar sperrig bis noisig. Der fiese Emo-Punk-Sprint „Deal vor Gericht“ raubt schließlich sämtliche Sinne, nur um zwischendurch innezuhalten und mit gewinnendem Lächeln auf sein chaotisches Werk zu blicken.
Zwölf bärenstarke, kurzweilige Songs sollten das große, verdiente Sprungbrett für diese Band sein. Kaptain Kaizen machen auf ihrem dritten Album unheimlich viel richtig, nehmen ein wenig Turbostaat mit auf die Reise, aber auch Ulf und Kind Kaputt nicken wissend mit. Es ist eine kurzweilige Platte geworden, dieses „Alles und nichts“, unbequem und doch so begeisternd. Furiose Aggression und greifbarer Spielwitz garantieren beste Unterhaltung und wichtige nachdenkliche Momente.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 23.08.2019
Erhältlich über: This Charming Man Records (Cargo Records)
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