The Gotobeds – Debt Begins At 30
Wann ist das Leben eigentlich zu Ende? Wer jetzt „30“ sagt, ist a) viel zu jung, b) zynisch und/oder c) ein Fan der Gotobeds. Das Quartett aus Pittsburgh, eine der unangenehmsten und doch sympathischsten Rock-Bands der letzten Jahre, lud sich einige Freunde ins Studio ein, um die Leichtigkeit des Seins mit Wut und Frust zu torpedieren. Freilich ist der Albumtitel „Debt Begins At 30“ mit Vorsicht zu genießen, und doch scheint die Auflösung jeglicher Lebensfreude zum Greifen nahe.
Am Sound hat sich herzlich wenig geändert. Dicke Indie-Hymnen, kratzbürstiger Rock und eine ordentliche Portion Post Punk geben sich die virtuelle Klinke in die Hand. „Calquer The Hound“ eröffnet zögerlich und doch zwingend, versucht die Brücke zwischen den vertonten musikalischen Extremen zu schlagen und lässt einen harmonischen Refrain mit verquerer Selbstaufgabe in den Strophen erklingen. In „Twin Cities“ hört man zunächst einen Wecker, dann schlagen die Gotobeds urplötzlich Uptempo-Klänge an und stochern im College-Rock-Fundus herum. Tracy Wilson (Positive NO!) steuert säuselndes Slackertum bei und rundet die ohnehin gewaltige Gästeliste ab. Fast jeder Song erfährt Unterstützung aus der lokalen Szene und macht das Album gleich eine Portion unberechenbarer.
Wie es geht, zeigt „2:15“. Das verhinderte Powerhouse trägt die Länge im Songtitel und hangelt sich von kurzweiligem Understatement zu aufbrausendem Geschrammel mit Strokes-Einschlag. Mehrmals deutet das Quartett die große Explosion an, hält sich jedoch zurück. Im Titelsong regiert hingegen Post-Punk-Kargland mit Saxophon und feinen Grüßen an die Idles – eine zweite Version mit mehr Frauengesang verwirrt im besten Sinne. Zwischendurch landet das wirre und doch wuchtige „Dross“ einen Mini-Hit, während „Slang Words“ mit wachsender Begeisterung durch drei kaputte Minuten hetzt.
Wohin The Gotobeds auf ihrer dritten Platte eigentlich wollen, bleibt die längste Zeit verborgen, und gerade das macht den Reiz aus. Vom vielschichtigen Sound über die zahlreichen Gäste bis zum konsequenten Sprung zwischen musikalischen Welten macht „Debt Begins At 30“ unheimlich viel richtig. Das kann – natürlich – auch gewaltig verschrecken, und so haftet dem einen oder anderen post-punkigen Track eine gewisse Unnahbarkeit an. Dank bissiger Hooks, spürbarem Herzblut und unheimlicher Spielfreude weiß aber jede noch so schroffe Idee zu leuchten – eine etwas andere, ungewöhnliche Rock-Platte mit grandioser Langzeitwirkung.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 31.05.2019
Erhältlich über: Sub Pop Records (Cargo Records)
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