Within Temptation – Resist
Mehr als fünf Jahre ist es her, seitdem Within Temptation ihr letztes Studioalbum „Hydra“ veröffentlicht haben, das sich zum bisher erfolgreichsten der Band entwickelte. Nach einer anschließenden langen Tournee häuften sich jedoch die Probleme: Persönliche Schicksalsschläge bei Frontfrau Sharon den Adel, Schreibblockaden und Uneinigkeit über die musikalische Entwicklung manövrierten die niederländische Symphonic-Metal-Band an den Rand einer möglichen Auflösung. Doch die Kreativität und die Lust auf neue Songs kehrten zurück und so konnten nach und nach alle Hürden aus dem Weg geräumt werden. Das Ergebnis ist die mittlerweile siebte Platte „Resist“, die den vollzogenen Wandel deutlich hörbar unterstreicht, ohne gleich eine Revolution loszutreten.
Das geht schon mit der bereits im September veröffentlichten ersten Single „The Reckoning“ los, die zwar mit gewaltigen Rock-Riffs und brachialen Drums aufwartet, jedoch mit elektronischen Einflüssen und Sounds überrascht. Papa-Roach-Frontmann Jacoby Shaddix macht als Gastmusiker sowohl in den Strophen als auch im Refrain mit Sharon einen soliden Job, wenngleich er ein wenig im Arrangement verloren zu gehen droht. Ganz anders Anders Fridén von In Flames, der das bombastische „Raise Your Banner“ mit seinen Growls unterstützt und dem Song seinen Stempel aufdrückt. Metal-Fans dürften besonders hier auf ihre Kosten kommen; die unkonventionelle Struktur und Sharons operettenhafter Gesang, der an Ex-Nightwish-Sängerin Tarja Turunen erinnert, machen das fünfeinhalbminütige Werk zu einem der besten des Albums.
Als dritter Feature Act konnte der belgische Sänger und Gitarrist Jasper Steverlinck gewonnen werden, der auf dem experimentellen Stück „Firelight“ zu hören ist. Dieser mystisch-poppige Track war ursprünglich für das Soloprojekt von Sharon, My Indigo, geplant und nimmt ordentlich Tempo raus. Langjährige Fans, die sich eher mit klassischer Symphonic-Metal-Mucke identifizieren, dürften damit so ihre Probleme haben, plätschert er doch ein wenig vor sich hin. Bei mehrmaligem Hören wird man jedoch unweigerlich in seinen Bann gezogen und entdeckt Facetten, die Within Temptation durchaus gut zu Gesicht stehen. Zwei weitere Songs, die ohne kompromisslose Härte auskommen und von My Indigo inspiriert sind, stellen „In Vain“ und „Mercy Mirror“ dar. Letztgenannter beginnt mit einem ruhigen Klavier-Intro und kann beinahe als Rockballade bezeichnet werden, während „In Vain“ besonders durch seinen Chorus mit ordentlich Ohrwurmpotenzial daherkommt.
Ebenfalls als eine Mischung aus Rock und Pop präsentiert sich „Mad World“, der sich wie eine Symbiose aus den Songs „Sinéad“ und „Covered By Roses“ der vergangenen beiden Alben anhört und mit seiner eingängigen Hookline zu gefallen weiß. „Endless War“ dagegen stellt stilistisch ein Überbleibsel der „Hydra“-Ära dar und nutzt zudem choral-orchestrale Elemente, für die die Band jahrelang bekannt war. Komplett in neue Richtungen gehen die Titel „Holy Ground“, auf dem Sharon sogar Sprechgesang einstreut, und besonders das mit Abstand elektronischste „Supernova“. Der zum Headbangen geeignete hymnenartige Rausschmeißer „Trophy Hunter“ dürfte schließlich jeden noch so kritischen Skeptiker zufriedenstellen.
Nein, mit „Resist“ sprechen Within Temptation definitiv nicht jeden ihrer Fans gleichermaßen an – das war allerdings auch nicht das erklärte Ziel. Vielmehr hat man es hier mit einem Werk des Fortschritts zu tun, das einerseits völlig neue und aufs erste Hören gewöhnungsbedürftige Elemente integriert, dabei allerdings sämtliche Stärken im instrumentalen und gesanglichen Bereich ausspielt. Sharons unverwechselbare Stimmfarbe ist gewohnt energiegeladen und kaschiert damit auch minimale strukturelle Schwächen beim ein oder anderen Song. Handwerklich gibt es sowieso nichts auszusetzen, man merkt der Band ihre Spielfreude und die Sehnsucht nach Live-Konzerten und Festivals förmlich an. Nicht viele schaffen es, sich nach über 20 Jahren immer noch weiterzuentwickeln und dabei neue Fans zu gewinnen, ohne die alteingesessenen zu verprellen. Within Temptation gelingt dieser Spagat par excellence.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 01.02.2019
Erhältlich über: Vertigo Berlin (Universal Music)
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