The 1975 – A Brief Inquiry Into Online Relationships
Um eines mal gleich klarzustellen: The 1975 sind keine 70er-Retro-Rockband und klingen auch in keiner Hinsicht nach jenem Jahrzehnt. Das Quartett aus Manchester, das sich nach der merkwürdigen Datierungsweise im Tagebuch eines alten Beat-Musikers benannt hat, begann in den Gründungstagen zwar als Punkband, entwickelte sich aber schon auf dem Debütalbum in Richtung Pop-Rock mit starken 80er- und 90er-Referenzen. Wobei die Musikrichtung der Band ohnehin nicht in Stein gemeißelt scheint, denn wo das letzte, in mehreren Ländern die Spitze der Charts erreichende Album „I Like It When You Sleep…“ noch stark an die 80er-Revival-Welle angelehnt war, wagt man auf „A Brief Inquiry Into Online Relationships“ den Sprung in die stilistische Breite und ins Experimentelle.
Die neue Scheibe lässt sich stilistisch daher nur schwer beschreiben, denn von klassischem Pop über Soul und RnB, Elektro, Synthie-Pop bis hin zur klassischen Gitarrenballade und sogar Jazz ist nahezu alles vertreten, was das Popmusik-Spektrum hergibt. Auf das soulige Intro „The 1975“ folgt so etwa gleich die gelungene Elektropop-Nummer „Give Yourself A Try“, ehe mit der Nu Disco-Nummer „TOOTIMETOOTIMETOOTIME“ gleich der nächste Stilwechsel folgt. Und so setzt sich die Scheibe fort: experimentelle Beats beim etwas anstrengenden „How To Draw / Petrichor“, klassischer Synthie-Pop in Form des hitverdächtigen „Love It If We Made It“ und entspannte Balladenklänge bei „Be My Mistake“ – bei jenem Song wird Sänger Matthew Healy sogar nur von einer Gitarre und ganz dezenten Keyboardsounds begleitet.
Für den alteingesessenen The 1975-Fan am ungewöhnlichsten klingen dürften sicher die Nu Jazz-Nummer „Sincerity Is Scary“ und die klassische Jazz-Ballade „Mine“. Letztlich sind beide Songs aber als gelungen zu bezeichnen – Experiment geglückt, Stilvielfalt vergrößert. Für Abwechslung ist auf „A Brief Inquiry Into Online Relationships“damit definitiv gesorgt. Auf der anderen Seite wirkt das Album dadurch aber auch etwas zerrissen, da The 1975 versucht haben, zu viele unterschiedliche Stilrichtungen unter einen Hut zu bringen. Ein, zwei Experimente weniger wären hier mehr gewesen.
Dennoch ist unter dem Strich ein positives Fazit zu ziehen – nicht zuletzt weil Skip-Kandidaten hier Mangelware sind und es mit der peppigen Synthie-Nummer „It’s Not Living (If It’s Not With You)“ und der souligen Ballade „I Couldn’t Be More In Love“ noch zwei richtig gelungene Ohrwurm-Nummern gibt. Auf „A Brief Inquiry Into Online Relationships“ sind The 1975 endgültig erwachsen geworden. Sollten sie es beim nächsten Mal schaffen, den roten Faden von Anfang bis Ende nicht aus den Augen zu verlieren, könnte der Band dann sogar ein Über-Album gelingen. Bis dahin können deutsche Fans die Band erst mal im Sommer 2019 beim Rock am Ring und beim Rock im Park live genießen.
A Brief Inquiry Into Online Relationships
VÖ: 30.11.2018
Polydor (Universal Music)
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